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Die Gartenkunst — 12.1910

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Groddeck, Georg: Heimatschutz und Naturschutz, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0091

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XII, 5

DIE GARTENKUNST.

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faf3t. Mit oder ohr.e unser Wissen begleitet uns auf unsern schütz. Oder gehen Sie durch den Wald. Dort sehen Sie an

Wegen der Gedanke, daß der Mensch in der Erde wurzelt und den Stämmen der Bäume Nistkästen aufgehängt, niedliche,

inmitten, nicht ü b e r der Natur lebt, die Sehnsucht, ein Eigen kleine Wohnungen, genau nach dem Muster, wie der Specht

zu haben und alles, was uns umgibt, harmonisch zu gestalten. es baut. Daß man Ställe für die Pferde, für die Kühe und

Diese Strömung, die den Menschen über das Alltagsleben Schweine baut, ist selbstverständlich. Es ist eine Forderung
erhebt, die uns beweist, daß wir noch nicht in der Sorge um des Vorteils, der sich bald in Geld umsetzt, und für Geld hat
das leibliche Wohl und materielle Interessen untergegangen der Mensch immer Verständnis. Aber daß dieser Mensch,
sind, daß uns ein schönheitsdurstiges Menschenherz im Leibe der Jahrhunderte nichts anderes getan hat, als die Erde aus-
schlägt, wird allmählich unser Denken und Leben bis in die zuschlachten, wie ein Pächter, der den Boden aussaugt, weil
Tiefen umgestalten. Spuren dieser Erscheinung, daß der sein Kontrakt ohne Aussicht auf Erneuerung abläuft, daß der
Mensch sich wieder seiner Würde als Gleichnis der Welt be- Mensch Nester für die Singvögel baut, ist das Zeichen einer
wüßt wird, finden Sie überall, seiner Würde, die ihn ver- neuen Zeit, in der das Geld nicht mehr der Tyrann unseres
pflichtet, in sich und seiner Umgebung schöpferisch zu wirken. Lebens sein wird, in der unser Herz wieder sprechen wird,

Bei Ihren Wanderungen in der Umgebung Freiburgs in der sittliche Werte an Stelle der materiellen treten.

Giardino Boboli (Florenz): Grotte Buontalentis mit den unvollendeten Statuen Michelangelos. (Phot. Alinari.)

wird Ihnen vielleicht aufgefallen sein, daß in den Forsten an
drei verschiedenen Stellen Buschwerk in seltsamer, ungebräuch-
licher Weise angepflanzt worden ist. Es sind Nistgehölze für
Singvögel, die von der Forstverwaltung angelegt worden sind.
Das ist Heimatschutz, entsprungen dem Wunsch, in Wald und
Feld den Lobgesang der Natur zu hören, gefolgt von dem Ge-
fühl des Stolzes, hier heimisch zu sein, von dem Gedanken
hier ist gut sein, und das ist deine Heimat.

Ich habe dieses Beispiel vorangestellt, weil es uns be-
weist, daß von oben herab, von der regierenden Stelle der
Heimatschutz gefördert wird, und Sie alle wissen so gut wie
ich, daß nur, was im Bewußtsein des Volks lebt, mit Aussicht
auf Erfolg angeordnet werden kann. Ehe eine Behörde zu-
gunsten des Heimatschutzes einschreiten kann, muß der Wunsch
danach in der Bevölkerung da sein.

In den Anlagen der Stadt, in den Gärten, an den Häusern
finden Sie Futterplätze für die Vögel. Mit immer dankbarer
Freude flattern die Meisen und Amseln, die Finken und nicht
zum wenigsten die Spatzen dort hin und her. Es ist Natur-

Unterschätzen Sie die Singvögel, die Blumen und Gärten
nicht. Wer hier in Freiburg groß geworden ist und die Fremde
nur gelegentlich kennen gelernt hat, weiß nicht, was es be-
deutet, in den Steinhaufen der Städte existieren zu müssen,
in denen jung und alt, reich und arm an Leib und Seele
verdirbt.

Wer hier an Feierabend von der Arbeit heimkehrt, der
atmet die Luft der freien Erde, des Waldes und der Berge,
der hört die Vögel singen, die Bäume im Winde rauschen,
sein Blick fällt auf das Grün des Grases und Laubes, er sieht
Blumen und Farbenpracht, er sieht den Himmel und die Sonne.
Das alles fällt uns zu in so reicher Fülle, daß wir es kaum
mehr beachten. Die Menschen in den großen Stätten, reiche
und arme, sehen nichts als Droschken und elektrische Bahnen,
hören nichts als den Lärm des ewigen Geldhungers und das
Rasseln der Räder; Automobil- und Asphaltgestank, Staub
und immer mehr Staub füllt die Luft und versalzt den Atem.

Man kennt das hier kaum. Wir dagegen haben hier
noch eine Heimat, die wir schützen können, schützen wollen
 
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