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DIE GARTENKUNST.
XI I, 6
Man kann zweifellos sehr schöne Gartenanlagcn scharfen
unter ausschließlicher Verwendung heimischer Arten
und ohne jede fremde Anleihe. Wo man aber fremde
Arten anwendet, da sollte man nur diejenigen bevor-
zugen, die sich wirklich durch wertvolle Eigenschaften
vor unseren heimischen Gehölzen auszeichnen.
Auf dieses Vor-andern-sich-auszeichnen wird aber
auch Dei der Auswahl der fremden Arten untereinander
viel zu wenig Rücksicht genommen. Meist genügt es
schon, daß eine Art sich von anderen überhaupt unter-
scheidet, um ihr Aufnahme in die Baumschulen zu
verschaffen und ihre Anzucht zu betreiben. Oft genug
sind die Eigenschaften, durch die sie sich von anderen
unterscheiden, so unauffällig, daß ein besonders geübtes
Auge dazu gehört, um sie überhaupt herauszufinden
und der Landschaftsgärtner muß infolgedessen, um sich
zurechtzufinden, eingehende botanisch-wissenschaftliche
Kenntnisse besitzen. Natürlich soll er sein Material
kennen, um es seinen Eigenschaften entsprechend ver-
wenden zu können, aber die Eigenschaften und die
Unterschiede der verschiedenen Arten müssen sinn-
fällige sein und sich mit Leichtigkeit den Augen ein-
prägen, sonst haben sie ja für die von künstlerischen
Gesichtspunkten ausgehende Verwendung in der Land-
schaftsgärtnerei gar keine Bedeutung. Botanisch-wissen-
schaftliche Unterscheidungsmerkmale nützen uns gar
nichts, und es können für unsere Zwecke daher ohne
weiteres alle diejenigen fremden Gehölzarten außer
Betracht bleiben, die sich von andern nur durch solche
Merkmale unterscheiden lassen.
Hier muß bei einer Säuberung unserer Gehölze-
bestände rücksichtslos eingesetzt werden; denn hier
herrschen arge Mißstände. Um sich das zum Bewußt-
sein zu bringen, braucht man nur flüchtig ein be-
liebiges Baumschulenverzeichnis durchzublättern. Von
der Gattung Crataegus führt z. B. eine unserer be-
kanntesten Baumschulen 111 Arten. Ich sage aus-
drücklich Arten, die Spielarten und Formen sind dabei
nicht mitgezählt. Haben wir wirklich für den Bedarf
unserer Anlagen 111 Crataegus-Arten nötig und sind
ihre Unterschiede so in die Augen springend, daß es
für die künstlerische Gartengestaltung notwendig ist,
sie alle zu besitzen? Wozu gebrauchen wir 14 Aesculus-
Arten — nach demselben Verzeichnis —, 30 Sorbus-,
63 Weiden-, 49 Pirus-Arten usw. nach Belieben?
Wenn wir nun gar an die Spielarten und Formen
kommen, dann überkommt einen ein regelrechtes
Grausen! Da blüht erst der Weizen der Sortenfexerei!
Kaum noch zu übersehen ist z. B. die Zahl der soge-
nannten Buntblättrigen. Ich gebe gern zu, daß niemand
die Blutbuche mit ihrer charakteristischen Blattfärbung,
in unseren Parkanlagen missen möchte. Auch andere
Blutblätterige gehören zu denjenigen, die man auch
vom Schönheitsstandpunkt aus gelten lassen kann —
aber lange nicht alle. Welchen Wert z. B. die Blut-
birke mit ihrer geradezu dürftigen Belaubung hat,
vermag ich nicht einzusehen; auch die Blutpflaume
(Pr. Pissardi) ist nur in der Baumschule als junge
Pflanze schön. Ich verstehe es auch, daß jemand
an der ausgesprochen goldigen Färbung der Belau-
bung eines Acer pseudoplatanus Worlei seine Freude
haben kann. Man kann mit solchen eigenartigen
Färbungen reizvolle Wirkungen erzielen, wenn man vor-
sichtig dabei verfährt. In der Regel aber wird durch
ihre allzu reichliche Verwendung Unruhe in den Baum-
schlag gebracht und Unbehagen bei jedem Naturfreunde
ausgelöst. Auch die blaugrau bereiften Nadelholz-
spielarten sind mit Takt verwendet recht wirkungsvoll,
aber an dem Takt fehlt es zu oft; man braucht ja nur
an die blaugraue Plicea pungens zu denken, bei deren
maßlos häufiger Verwendung zweifellos die Grenze des
guten Geschmackes längst überschritten ist. Wenn
ich nun zugebe, daß einzelne Bäume oder Sträucher
mit tiefdunkelroter, goldbronzener oder silbergrauer
Färbung unter Umständen von angenehmer Wirkung
sein können, so folgt daraus doch nicht, daß wir in
jeder Gattung eine oder gar mehrere solcher abnorm
gefärbter Formen haben müssen.
Ihre Anzahl ist indessen immer noch mäßig zu
nennen im Vergleich mit der der geflecktblättrigen
Spielarten. Die Zahl der Formen mit weiß, gelb oder
buntgestreiften, gefleckten, getupften, gesprenkelten
Blättern ist tatsächlich kaum noch zu übersehen. Wir
haben nicht nur einzelne Vertreter in fast jeder Gattung,
nein, bei vielen Gattungen weisen die einzelnen Arten
sogar mehrere solcher Formen auf. Die Blätter mancher
dieser Formen haben eine recht reizvolle Zeichnung;
aber die kommt nur an der jungen Pflanze zur Gel-
tung, also vorzugsweise in der Baumschule, wo man
die Blätter in nächster Nähe betrachten kann, am
herangewachsenen Baum dagegen hat sie gar keinen
Wert, macht vielmehr nur die Gesamtfärbung der Be-
laubung stumpf und schmutzig und ruft den Eindruck
hervor, als litte der Baum an einer Erkrankung.
Und eine Krankheitserscheinung ist diese Weiß- und
Gelbfleckigkeit in der Tat. Ich bin überzeugt, daß
wir mit dem zehnten Teil solcher buntblätteriger
Spielarten vollauf genug haben, also fort mit den
andern!
Weiterhin kommen solche Spielarten in Betracht,
die sich durch die Gestalt des Blattes von ihrer Stamm-
form unterscheiden. Neben einigen wenigen, die nicht
nur eigenartig, sondern auch hübsch sind, wie z. B. die
bekannte Alnus glutinosa imperialis, finden sich darunter
eine Menge Formen, die der gute Geschmack unbedi>"'
verwerfen muß, weil sie häßlich sind.
Man bekämpft doch die Plage der Maikäfer und
Raupen hauptsächlich deshalb, weil diese Tiere die
Blätter unserer Bäume und Sträucher bis auf die Rippen
zernagen. Sind solche zernagte Blätter schön? Kein
Mensch wird das zugeben. Warum aber gibt man
sich dann Mühe, Spielarten durch alle möglichen künst-
lichen Anzuchtmethoden fortzupflanzen, deren Blätter
sich in nichts von den von Maikäfern und Raupen be-
nagten Blättern unterscheiden? Oder sieht das Blatt
der Tilia platyphyllos filieifolia anders aus wie ein
DIE GARTENKUNST.
XI I, 6
Man kann zweifellos sehr schöne Gartenanlagcn scharfen
unter ausschließlicher Verwendung heimischer Arten
und ohne jede fremde Anleihe. Wo man aber fremde
Arten anwendet, da sollte man nur diejenigen bevor-
zugen, die sich wirklich durch wertvolle Eigenschaften
vor unseren heimischen Gehölzen auszeichnen.
Auf dieses Vor-andern-sich-auszeichnen wird aber
auch Dei der Auswahl der fremden Arten untereinander
viel zu wenig Rücksicht genommen. Meist genügt es
schon, daß eine Art sich von anderen überhaupt unter-
scheidet, um ihr Aufnahme in die Baumschulen zu
verschaffen und ihre Anzucht zu betreiben. Oft genug
sind die Eigenschaften, durch die sie sich von anderen
unterscheiden, so unauffällig, daß ein besonders geübtes
Auge dazu gehört, um sie überhaupt herauszufinden
und der Landschaftsgärtner muß infolgedessen, um sich
zurechtzufinden, eingehende botanisch-wissenschaftliche
Kenntnisse besitzen. Natürlich soll er sein Material
kennen, um es seinen Eigenschaften entsprechend ver-
wenden zu können, aber die Eigenschaften und die
Unterschiede der verschiedenen Arten müssen sinn-
fällige sein und sich mit Leichtigkeit den Augen ein-
prägen, sonst haben sie ja für die von künstlerischen
Gesichtspunkten ausgehende Verwendung in der Land-
schaftsgärtnerei gar keine Bedeutung. Botanisch-wissen-
schaftliche Unterscheidungsmerkmale nützen uns gar
nichts, und es können für unsere Zwecke daher ohne
weiteres alle diejenigen fremden Gehölzarten außer
Betracht bleiben, die sich von andern nur durch solche
Merkmale unterscheiden lassen.
Hier muß bei einer Säuberung unserer Gehölze-
bestände rücksichtslos eingesetzt werden; denn hier
herrschen arge Mißstände. Um sich das zum Bewußt-
sein zu bringen, braucht man nur flüchtig ein be-
liebiges Baumschulenverzeichnis durchzublättern. Von
der Gattung Crataegus führt z. B. eine unserer be-
kanntesten Baumschulen 111 Arten. Ich sage aus-
drücklich Arten, die Spielarten und Formen sind dabei
nicht mitgezählt. Haben wir wirklich für den Bedarf
unserer Anlagen 111 Crataegus-Arten nötig und sind
ihre Unterschiede so in die Augen springend, daß es
für die künstlerische Gartengestaltung notwendig ist,
sie alle zu besitzen? Wozu gebrauchen wir 14 Aesculus-
Arten — nach demselben Verzeichnis —, 30 Sorbus-,
63 Weiden-, 49 Pirus-Arten usw. nach Belieben?
Wenn wir nun gar an die Spielarten und Formen
kommen, dann überkommt einen ein regelrechtes
Grausen! Da blüht erst der Weizen der Sortenfexerei!
Kaum noch zu übersehen ist z. B. die Zahl der soge-
nannten Buntblättrigen. Ich gebe gern zu, daß niemand
die Blutbuche mit ihrer charakteristischen Blattfärbung,
in unseren Parkanlagen missen möchte. Auch andere
Blutblätterige gehören zu denjenigen, die man auch
vom Schönheitsstandpunkt aus gelten lassen kann —
aber lange nicht alle. Welchen Wert z. B. die Blut-
birke mit ihrer geradezu dürftigen Belaubung hat,
vermag ich nicht einzusehen; auch die Blutpflaume
(Pr. Pissardi) ist nur in der Baumschule als junge
Pflanze schön. Ich verstehe es auch, daß jemand
an der ausgesprochen goldigen Färbung der Belau-
bung eines Acer pseudoplatanus Worlei seine Freude
haben kann. Man kann mit solchen eigenartigen
Färbungen reizvolle Wirkungen erzielen, wenn man vor-
sichtig dabei verfährt. In der Regel aber wird durch
ihre allzu reichliche Verwendung Unruhe in den Baum-
schlag gebracht und Unbehagen bei jedem Naturfreunde
ausgelöst. Auch die blaugrau bereiften Nadelholz-
spielarten sind mit Takt verwendet recht wirkungsvoll,
aber an dem Takt fehlt es zu oft; man braucht ja nur
an die blaugraue Plicea pungens zu denken, bei deren
maßlos häufiger Verwendung zweifellos die Grenze des
guten Geschmackes längst überschritten ist. Wenn
ich nun zugebe, daß einzelne Bäume oder Sträucher
mit tiefdunkelroter, goldbronzener oder silbergrauer
Färbung unter Umständen von angenehmer Wirkung
sein können, so folgt daraus doch nicht, daß wir in
jeder Gattung eine oder gar mehrere solcher abnorm
gefärbter Formen haben müssen.
Ihre Anzahl ist indessen immer noch mäßig zu
nennen im Vergleich mit der der geflecktblättrigen
Spielarten. Die Zahl der Formen mit weiß, gelb oder
buntgestreiften, gefleckten, getupften, gesprenkelten
Blättern ist tatsächlich kaum noch zu übersehen. Wir
haben nicht nur einzelne Vertreter in fast jeder Gattung,
nein, bei vielen Gattungen weisen die einzelnen Arten
sogar mehrere solcher Formen auf. Die Blätter mancher
dieser Formen haben eine recht reizvolle Zeichnung;
aber die kommt nur an der jungen Pflanze zur Gel-
tung, also vorzugsweise in der Baumschule, wo man
die Blätter in nächster Nähe betrachten kann, am
herangewachsenen Baum dagegen hat sie gar keinen
Wert, macht vielmehr nur die Gesamtfärbung der Be-
laubung stumpf und schmutzig und ruft den Eindruck
hervor, als litte der Baum an einer Erkrankung.
Und eine Krankheitserscheinung ist diese Weiß- und
Gelbfleckigkeit in der Tat. Ich bin überzeugt, daß
wir mit dem zehnten Teil solcher buntblätteriger
Spielarten vollauf genug haben, also fort mit den
andern!
Weiterhin kommen solche Spielarten in Betracht,
die sich durch die Gestalt des Blattes von ihrer Stamm-
form unterscheiden. Neben einigen wenigen, die nicht
nur eigenartig, sondern auch hübsch sind, wie z. B. die
bekannte Alnus glutinosa imperialis, finden sich darunter
eine Menge Formen, die der gute Geschmack unbedi>"'
verwerfen muß, weil sie häßlich sind.
Man bekämpft doch die Plage der Maikäfer und
Raupen hauptsächlich deshalb, weil diese Tiere die
Blätter unserer Bäume und Sträucher bis auf die Rippen
zernagen. Sind solche zernagte Blätter schön? Kein
Mensch wird das zugeben. Warum aber gibt man
sich dann Mühe, Spielarten durch alle möglichen künst-
lichen Anzuchtmethoden fortzupflanzen, deren Blätter
sich in nichts von den von Maikäfern und Raupen be-
nagten Blättern unterscheiden? Oder sieht das Blatt
der Tilia platyphyllos filieifolia anders aus wie ein