122
DIE GARTENKUNST.
XII, 7
Hecken, Gittertore sind fast ausnahmslos sowohl vom
Nützlichkeitspunkt wie vom schönheitlichen Standpunkt
aus befriedigend, während unsere „Drahtkultur" so oft
außerordentlich nüchtern oder gar direkt häßlich wirkt.
Noch reizvoller und schöner aber als in Boxhill,
Dorking und Guildford sahen wir Dorfhäuser, Dorf-
gärtchen und alte Dorffriedhöfe auf der Insel Wight.
Die Insel ist ja an und für sich ein Eldorado. Ge-
legen an der Südküste von England, umspült von den
wärmenden Wassern des Golfstroms, entwickelt die
Insel stellenweise eine Vegetation, wie wir sie sonst
nur in Mittelmeerländern finden. Die immergrünen
Eichen (Ouercus Hex) wachsen dort in schönen Be-
ständen und prachtvollen Einzelexemplaren. An den
Häusern der Südküste sind Fuchsien und Myrten als
Spalier gezogen. Aus Lorbeerbäumen (Lauras nobilis)
sind immergrüne Hecken gebildet, üppiges Gebüsch von
Fuchsia Riccartoniana wuchert über die Mauern, Valeriana
rubra mit ihren prächtigen roten Blumen sprießt über-
all aus den Fugen der Mauern, blühende Veronica,
Lavendel, kurzum allerlei Blumen, deren viele bei uns
nur als Kalthauspflanzen kultiviert werden können,
wuchern dort in natürlicher Freiheit. Der Südrand der
Insel fällt mit seinen hohen Kreidefelsen ziemlich steil
gegen das Meer und stellenweise ist die Straße in diesen
Fels hineingearbeitet. An den Felswänden wiederum
sind mit künstlichen und natürlichen Terrassen die
hübschen Landhäuschen angebaut. Die Hausgärtchen,
oft mit massiven Mauern umfriedigt, bieten meist eine
entzückende Blumenpracht. Wir stiegen in Ventnor
an der Südküste ab. Den Spaziergang von Ventnor
nach Bonchurch, den ich nachmittags mit einigen Freunden
machte, befriedigte wiederum außerordentlich. In
Bonchurch war die Hauptsehenswürdigkeit ein alter
Friedhof mit einer schönen Kapelle. Die Zeit, zu welcher
wir dort weilten, fiel ja gerade in der Blütezeit der
Rosen und Nelken, also besonders günstig. So mag
auch der Friedhof gerade im Rosenmond besonders
günstig sich präsentieren, er war aber auch ein Kabinett-
stück seiner Art. Die kleine Kapelle stand südwärts
einer hohen dunklen Baumgruppe. Blühende Rambler,
Gaisblatt und Waldreben spannen einen farbigen Schleier
über das alte Dach und das graue Gemäuer, auf den
Gräbern blühten große weiße und blaue Glockenblumen,
farbige Nelken, und Rosen in seltener Pracht und üppiger
Fülle lugten überall über den altersgrauen Grabplatten
hervor ,,und neues Leben blüht aus den Ruinen". Sie
wußten auch, wie schön ihr Friedhof war, die Land-
leute von Bonchurch, und forderten für den Besuch
ihren Obolus, den man ja unter solchen Umständen
gerne zahlt. Man sieht, solche Schönheiten sind auch
wirtschaftlich nutzbar zu machen. Der Friedhof von
Bonchurch ist weit und breit bekannt wegen seiner
poesievollen Schönheit und lockt manchen Fremden
an den sonst so stillen Ort. Ebenso reizvoll, wenn
auch in anderer Art, ist das Dorf Bonchurch selbst mit
seinen niedrigen strohgedeckten Häusern. Über den
Fenstern des Obergeschosses oder des Dachgeschosses
biegt sich das Strohdach in Form einer Haube aus,
um Luft und Licht in die Fenster gelangen zu lassen.
Überall an der Sonnenseite sind die Häuser mit dichtem
Grün von Rosen, Waldreben und Gaisblatt umsponnen,
zuweilen auch, wie ich schon erwähnte, mit Myrten
und Fuchsien. Auf der Südseite der Häuser waren
fast allenthalben kleine Gärten, die meist mit sehr
massiven, grünumsponnenen Mauern umgeben waren.
In bunter Fülle blühte es in diesen Gärtchen. Eigentlich
sollte man unseren städtischen Baupolizeibeamten, die
noch immer in so konsequenter Weise das durchsich-
tige Eisengitter zur Umrahmung des Vorgartens vor-
schreiben, einmal nach Ventnor, Shanklin oder Bon-
church senden, damit sie sehen, wie gut Vorgartenmauern
aussehen können, wenn man sie verständig und richtig
baut und behandelt. Gerade diese Mauergassen zwischen
Ventnor und Bonchurch waren sehr schön und erinnerten
oft sehr an italienische Motive. Hier war es Cotoneaster
horizontalis, der die Maurern überragte oder Budleya
corymbiflora mit ihren gelben Blütenkugeln, Centhranthus
ruber an anderer Stelle. Eronymus japonica bildete
prachtvolle Hecken und Büsche und dazwischen immer
wieder die immergrünen Eichen. Freilich war dieser
Blumenflor nur dort, wo windgeschützt sich die Pflanzen
entwickeln konnten. Dort, wo der Seewind unmittelbar
auf das Ufer weht, da sah man Pflanzen und Bäumen
wohl an, welch andauernden Kampf sie mit Sturm und
Wind zu bestehen hatten, und wie der Wind den Baum-
kronen oft Formen gab, die das Binnenland nicht kennt.
Zwei Tage weilten wir auf diesem prächtigen Ei-
land. Den zweiten Tag benutzten wir zu einer Wagen-
fahrt um die Insel herum. Was wir in Ventnor und
Bonchurch gesehen, begegnete uns noch öfters, die
hübschen Straßenbilder in den kleinen Inseldörfchen,
die wohlumfriedigtcn, blumengeschmückten Gärtchen,
die malerischen Friedhöfe, dann wieder die prächtigen
Strandpartien, wenn die Straße auf hoher Kreideküste
den Strand entlang führt, die Freshwater Bay mit
ihrem azurblauen Wasser, die meerumbrandeten Needles,
das alles wird keiner der Teilnehmer vergessen. Be-
sonders reizvoll war noch das Dörfchen Brixton ; auch
Farrinford mit Tennyson's Hause in seinem zedern-
geschmückten Park. In Brixton, wo wir kurze Rast
machten, hatte ich Gelegenheit, in einen kleinen Dorf-
garten hineinzugehen. Das Haus lag in der Nordecke
des Grundstückes und auf seiner Sonnenseite der Gar-
ten, während an der Westfront ein geräumiger, gut ge-
pflegter Rasen mit einer gemütlichen, fliederumschatteten
Laubenecke sich befand. Auch die Beete des eigent-
lichen Blumengartens waren in langer Rechteckform
in dem Rasen eingeschnitten, so daß also alle Wege
Rasenwege waren. Auf diesen langen Beeten blühte
ein üppiger Blumenflor ; Nelken, Glockenblumen, Ritter-
sporn, Eisenhut, hohe Stockmalven, Lawendel, blaue
Veronika und viele, viele Sommerblumen in üppiger
Fülle, und der ganze Garten gab ein Bild so heiterer,
sonniger Lebensfreude, daß man sich ordentlich wohl
fühlte in diesem Blumencldorado. Ein kleiner, einfacher
DIE GARTENKUNST.
XII, 7
Hecken, Gittertore sind fast ausnahmslos sowohl vom
Nützlichkeitspunkt wie vom schönheitlichen Standpunkt
aus befriedigend, während unsere „Drahtkultur" so oft
außerordentlich nüchtern oder gar direkt häßlich wirkt.
Noch reizvoller und schöner aber als in Boxhill,
Dorking und Guildford sahen wir Dorfhäuser, Dorf-
gärtchen und alte Dorffriedhöfe auf der Insel Wight.
Die Insel ist ja an und für sich ein Eldorado. Ge-
legen an der Südküste von England, umspült von den
wärmenden Wassern des Golfstroms, entwickelt die
Insel stellenweise eine Vegetation, wie wir sie sonst
nur in Mittelmeerländern finden. Die immergrünen
Eichen (Ouercus Hex) wachsen dort in schönen Be-
ständen und prachtvollen Einzelexemplaren. An den
Häusern der Südküste sind Fuchsien und Myrten als
Spalier gezogen. Aus Lorbeerbäumen (Lauras nobilis)
sind immergrüne Hecken gebildet, üppiges Gebüsch von
Fuchsia Riccartoniana wuchert über die Mauern, Valeriana
rubra mit ihren prächtigen roten Blumen sprießt über-
all aus den Fugen der Mauern, blühende Veronica,
Lavendel, kurzum allerlei Blumen, deren viele bei uns
nur als Kalthauspflanzen kultiviert werden können,
wuchern dort in natürlicher Freiheit. Der Südrand der
Insel fällt mit seinen hohen Kreidefelsen ziemlich steil
gegen das Meer und stellenweise ist die Straße in diesen
Fels hineingearbeitet. An den Felswänden wiederum
sind mit künstlichen und natürlichen Terrassen die
hübschen Landhäuschen angebaut. Die Hausgärtchen,
oft mit massiven Mauern umfriedigt, bieten meist eine
entzückende Blumenpracht. Wir stiegen in Ventnor
an der Südküste ab. Den Spaziergang von Ventnor
nach Bonchurch, den ich nachmittags mit einigen Freunden
machte, befriedigte wiederum außerordentlich. In
Bonchurch war die Hauptsehenswürdigkeit ein alter
Friedhof mit einer schönen Kapelle. Die Zeit, zu welcher
wir dort weilten, fiel ja gerade in der Blütezeit der
Rosen und Nelken, also besonders günstig. So mag
auch der Friedhof gerade im Rosenmond besonders
günstig sich präsentieren, er war aber auch ein Kabinett-
stück seiner Art. Die kleine Kapelle stand südwärts
einer hohen dunklen Baumgruppe. Blühende Rambler,
Gaisblatt und Waldreben spannen einen farbigen Schleier
über das alte Dach und das graue Gemäuer, auf den
Gräbern blühten große weiße und blaue Glockenblumen,
farbige Nelken, und Rosen in seltener Pracht und üppiger
Fülle lugten überall über den altersgrauen Grabplatten
hervor ,,und neues Leben blüht aus den Ruinen". Sie
wußten auch, wie schön ihr Friedhof war, die Land-
leute von Bonchurch, und forderten für den Besuch
ihren Obolus, den man ja unter solchen Umständen
gerne zahlt. Man sieht, solche Schönheiten sind auch
wirtschaftlich nutzbar zu machen. Der Friedhof von
Bonchurch ist weit und breit bekannt wegen seiner
poesievollen Schönheit und lockt manchen Fremden
an den sonst so stillen Ort. Ebenso reizvoll, wenn
auch in anderer Art, ist das Dorf Bonchurch selbst mit
seinen niedrigen strohgedeckten Häusern. Über den
Fenstern des Obergeschosses oder des Dachgeschosses
biegt sich das Strohdach in Form einer Haube aus,
um Luft und Licht in die Fenster gelangen zu lassen.
Überall an der Sonnenseite sind die Häuser mit dichtem
Grün von Rosen, Waldreben und Gaisblatt umsponnen,
zuweilen auch, wie ich schon erwähnte, mit Myrten
und Fuchsien. Auf der Südseite der Häuser waren
fast allenthalben kleine Gärten, die meist mit sehr
massiven, grünumsponnenen Mauern umgeben waren.
In bunter Fülle blühte es in diesen Gärtchen. Eigentlich
sollte man unseren städtischen Baupolizeibeamten, die
noch immer in so konsequenter Weise das durchsich-
tige Eisengitter zur Umrahmung des Vorgartens vor-
schreiben, einmal nach Ventnor, Shanklin oder Bon-
church senden, damit sie sehen, wie gut Vorgartenmauern
aussehen können, wenn man sie verständig und richtig
baut und behandelt. Gerade diese Mauergassen zwischen
Ventnor und Bonchurch waren sehr schön und erinnerten
oft sehr an italienische Motive. Hier war es Cotoneaster
horizontalis, der die Maurern überragte oder Budleya
corymbiflora mit ihren gelben Blütenkugeln, Centhranthus
ruber an anderer Stelle. Eronymus japonica bildete
prachtvolle Hecken und Büsche und dazwischen immer
wieder die immergrünen Eichen. Freilich war dieser
Blumenflor nur dort, wo windgeschützt sich die Pflanzen
entwickeln konnten. Dort, wo der Seewind unmittelbar
auf das Ufer weht, da sah man Pflanzen und Bäumen
wohl an, welch andauernden Kampf sie mit Sturm und
Wind zu bestehen hatten, und wie der Wind den Baum-
kronen oft Formen gab, die das Binnenland nicht kennt.
Zwei Tage weilten wir auf diesem prächtigen Ei-
land. Den zweiten Tag benutzten wir zu einer Wagen-
fahrt um die Insel herum. Was wir in Ventnor und
Bonchurch gesehen, begegnete uns noch öfters, die
hübschen Straßenbilder in den kleinen Inseldörfchen,
die wohlumfriedigtcn, blumengeschmückten Gärtchen,
die malerischen Friedhöfe, dann wieder die prächtigen
Strandpartien, wenn die Straße auf hoher Kreideküste
den Strand entlang führt, die Freshwater Bay mit
ihrem azurblauen Wasser, die meerumbrandeten Needles,
das alles wird keiner der Teilnehmer vergessen. Be-
sonders reizvoll war noch das Dörfchen Brixton ; auch
Farrinford mit Tennyson's Hause in seinem zedern-
geschmückten Park. In Brixton, wo wir kurze Rast
machten, hatte ich Gelegenheit, in einen kleinen Dorf-
garten hineinzugehen. Das Haus lag in der Nordecke
des Grundstückes und auf seiner Sonnenseite der Gar-
ten, während an der Westfront ein geräumiger, gut ge-
pflegter Rasen mit einer gemütlichen, fliederumschatteten
Laubenecke sich befand. Auch die Beete des eigent-
lichen Blumengartens waren in langer Rechteckform
in dem Rasen eingeschnitten, so daß also alle Wege
Rasenwege waren. Auf diesen langen Beeten blühte
ein üppiger Blumenflor ; Nelken, Glockenblumen, Ritter-
sporn, Eisenhut, hohe Stockmalven, Lawendel, blaue
Veronika und viele, viele Sommerblumen in üppiger
Fülle, und der ganze Garten gab ein Bild so heiterer,
sonniger Lebensfreude, daß man sich ordentlich wohl
fühlte in diesem Blumencldorado. Ein kleiner, einfacher