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Die Gartenkunst — 12.1910

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Heicke, C.: Urnenhaine
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0214

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206

DIE GARTENKUNST.

XII, 12

E. Barth, Lübeck: Urnenhain des Lübecker Zentralfriedhofes.
Blick in einen Seitenweg vom Krematorium aus.

schön. Denn die in ihrer allgemeinen Form langweilig
gleichförmigen Gefäße, bei denen höchstens in der
Größe oder im Material einige Unterschiede hervor-
treten , reihen sich eines an das andere und füllen
ringsum die Wandbretter. Der Staub lagert sich
auf ihnen ab, Staub bedeckt jeden Mauervorsprung,
Staub trübt die kleinen Fenster und Staub über-
zieht auch die welken Kränze und Lorbeerreiser,
die trübselig an der einen oder anderen Urne hängen.
Eine dumpfe, kellerartige Luft füllt den Raum und
ein beklemmender Druck legt sich jedem auf die
Brust, der neugierig mal hineingetreten ist, während
draußen, wenn man auch auf dem Totenfeld weilt,
einen doch wenigstens frisches, lebendiges Grün und
reine Luft umgibt. Diese Urnenhallen widerstreben

in jeder Beziehung unserem Gefühl und wirken gerade-
zu abstoßend auf uns. Sie bilden keine Lösung für die
Beisetzung der Aschenreste.

Das Nächstliegende, solange man damit gewohn-
heitsmäßig am Friedhof klebt, wäre wohl gewesen, sie
einfach in Gräbern beizusetzen. Und man tut das
auch vereinzelt. Es ist aber nicht nötig, sie zwei Meter
tief, wie Leichen, deren Zersetzung erst vor sich gehen
soll, einzusenken. Dazu liegt kein Grund vor; man
kann sie ganz flach unter einer Gedenktafel eingraben,
ja man kann sie sogar oberirdisch in einem mit einer
Inschrifttafel verschlossenen Hohlraum des üblichen
Denksteins beisetzen. Aber dann tritt die Platzerspar-
nis, die man als einen besonders gewichtigen Grund für
die Einführung der Leichenverbrennung anführt, nicht
ein! Und in der Tat hat es auch keinen Sinn für die
Beisetzung eines kleinen Aschenbehälters ebensoviel
Raum von dem teuren Friedhofsgelände aufzuwenden,
wie für einen großen Sarg.

Das führte nun zur der Anlage besonderer Fried-
hofsteile — sogenannter Urnenhaine —, denen man
eine andere Aufteilung gab, als den gewöhnlichen
Begräbnisfeldern. Man nahm die Maße der Flächen für
die Beisetzung der Aschenreste erheblich kleiner, als
für die Leichenbestattung üblich war, und ging mit
den Abmessungen der einzelnen Plätze für die Urnen-
beisetzung bis auf das Maß der kleinsten Kindergräber
herunter. Natürlich mußte diesen beschränkten Raum-
verhältnissen sich alles andere anpassen; Denkmal und
Grabschmuck, Wegeflächen und Pflanzung, alles mußte
darauf zugeschnitten werden, und es entstanden auf
diese Weise sozusagen Miniaturfriedhöfe, die auch
wieder unsere Ansprüche in bezug auf schönheitliche
Gestaltung nicht befriedigen können. Denn alle die
Mißstände, welche wir in der äußeren Gestaltung un-
serer Friedhöfe bemängeln und auf deren Absteilung
alle Reformbestrebungen auf dem Gebiete der Fried-
hofskunst hinzielen, treten bei diesen kleinen Urnen-
friedhöfen, infolge der reduzierten Größenverhältnisse,
noch augenfälliger in Erscheinung als sonst.

Das tritt besonders da ein, wo man darauf
verfallen ist, Urnengräber in mehr oder minder regel-
loser Anordnung und Anhäufung innerhalb eines land-
schaftlich angelegten Friedhofsteiles vorzusehen, und
für die Entfaltung künstlerischer und unkünstlerischer
Individualität bei den Denksteinen und Grabmälern
freien Spielraum zu gewähren.

Und eine noch unerfreulichere Perspektive eröffnet
sich, sobald man sich die künftige Entwickelung vor-
stellt, wenn die der allgemeinen Einführung der Feuer-
bestattung heute noch entgegenstehenden Beschrän-
kungen in Fortfall kommen. Denn heute ist die Sache
noch kostspielig und kommt fast ausschließlich für
Leute in Frage, die auf die Ausstattung der Aschen-
beisetzungsplätze etwas aufwenden können. Wie wird
es aber später werden, wenn, wie mit Sicherheit zu
erwarten ist, regelrechte Reihengräberfelder für Aschen-
reste entstehen? Es dürfte an der Zeit sein, daß man
 
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