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Zur neueren Dogmengeschiclite und ßeurtheilung

steh etwa doch: oh nicht ein höherer Geist unmittelbar in un-
sere Menschengeister so einwiike, dass ein Bewuistseyn
fehlerfreier Hinsichten von göttlichen Dingen , ohne Ein-
mischung unserer so leicht fehibaren Denkthätigkeit, entste-
hen müsste? Man streitet dagegen umsonst, wenn man von
vorneher ausmachen will , ob ein höherer Geist unsern Geist
ohne Mittel so (wie man sagt) anregen oder unser Bewuistseyn
zu gewissen Gedanken nöthigen könne. In das a-priori kann
man hier hineinrücken, was man Lust hat, weil man immer
fragen kann: wer denn die iNichtmöglichkeit erweisen könne?
Man bedenkt nicht, dass alsdann doch nicht einmal die Mög-
lichkeit erweislich gemacht wäre, und wie gross die Kluft ist
zwischen dein, was uns nicht-unmöglich scheint, und dem
Behaupt n des Witklichseyns. Auf letzteres muss hier alles
ankommen. Man zeige geschichtlich, wo ein solches zur
Fehlerfreiheit erregtes Bewuistseyn sich ausgesprochen ? und
wo zuvörderst es sich und andern bewiesen hat, dass es in
seiner Behauptung, fehlerfreie Religionseinsichten durch Mit-
theilung zu besitzen, selbst irrthumsfrei sey. Woran erkennt
ein Begeisterter, dais ein Reiigionssatz durch einen höheren
Geist leinfehlerfrei in sein Bewuistseyn kam ? Ist etwa dies
entscheidend, dass es ihm in einem recht lebhaften Traum, in
einer halhwachenden Anschauung (\ ision) oder Geistererschei-
nung (Apparition) so vorkam und er es sich so auslegte, weil
man solche innere Erfolge noch nicht von dem eigenen Geiste
abzuleiten verstand? da man desto mehr an Geister über
sich dachte, je weniger man noch den Geist in sich, das eigene
Selbst und seine ProductivitSt, beobachtete und kennen lernte?
Ist etwa dies entscheidend, dass es dem Gottandächtigen plötz-
lich so einHel, so hell ward, so einleuchtete, ohne dass er
sich der Vorarbeit in seinem Gemü.th, der angewandten Denk-
tbätigkeit, bewusst war? Kurz : fühlt er nicht blos das Be-
wusstseyn? wird auch die höhere unfehlbare Ursache ge-
fühlt? Viele meinen und behaupten freilich, Ursachen
zu fühlen. Aber sie unterscheiden nicht, dass man wohl das
Daseyende fühlen und empfinden kann, dass aber, ob dieses
Daseyende eine Ursache für ein anderes Seyendes sey, im-
mer nur auf Schlüssen beruht. Hier, wo ein gewisses schnel-
les, lichtes, gleichsam unwiderstehliches Bewuistseyn einer
religiösen Behauptung da ist , und der Menschengeist selbst
die Ursache davon zu seyn sieb nicht bewusst ist, wird den-
noch nicht einmal das Daseyn tin s höheren Geistes gefühlt,
sondern nur der Schluss gemacht: Weil in mir ein Gedanke
ist, dessen Ursächer ich nicht weiss, so muss erstlich ein
 
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