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Lamartine, Harmonien, übersetzt von Schirütz.

591

Schirütz:
Auch du, saß' ich zur Seel' entzücket,
Sollst so an diesem dunklenOrt,
Wie eine Flamme, unerblicket,
Anbetend glüh'n vor deinem Hort
Nicht in Vergessens Nacht gehüllet,
Sey, Herz, dies Ziel dir jemals lern,
Schwimm', wie die Lampen, reich gefüllet,
Auch du in Andacht vor dem Herrn.
Pfizer:
Ich spreche: Mit verborg'nem Lichte
So glüh st in schattenhaftem Ort
Vor deines Gottes Angesichte
Auch du, o meine Seele, fort!
Noch nie vergafsest du, dem Herzen
Zu ihm empor die Bahn zu ziehn,
Wie diese stets getränkten Herzen
Vor Gott ihr schimmernd Licht versprühn!
Referent:
Und so hienieden auch im Dunkeln —
Sprech' ich zu meiner Seele — harrt
Dein Licht mit unsichtbarem Funkeln
Vor Deines Gottes Gegenwart.
Und du vergissest nimmer, nimmer
Zu lenken gegen Ihn mein Herz,
Wie diese vollen Lampen immer
Zu Ihm aufwogen, himmelwärts. —
Die fünfte Harmonie besteht aus strophenlosen Alexan-
drinern. Auch hier hat Hr. Schirütz sich an den Reim ge-
bunden und dadurch sich die Aufgabe nicht leicht gemacht. Das
Erleichterungsmittel jedoch, das er angewendet hat, die aber-
malige Vernachlässigung der Cäsur, erscheint hier in einem um
so ungünstigeren Lichte, da die unwillhührliche Anwendung der-
selben (denn die Uebersetzung beginnt sogar mit einigen regel-
mäßig gekerbten Versen) darauf schließen läßt, daß die regel-
mäßige Form des Alexandriners sich dem Ohr des Uebersetzers
auch wider seinen Willen aufgedrungen hat. Dasselbe gilt von
der sechsten Harmonie, die in Stanzen abgefaßt ist, welche,
bis auf den letzten Vers jeder Strophe, aus Alexandrinern be-
stehen.
In der siebenten Harmonie (Hymnus eines Rindes bei
seinem Erwachen), an welcher sich Ref. auch versucht hat, und
welche — im Vorbeigehen gesagt — Reflexionen enthält, die im
Munde eines kleinen Rindes gar zu altklug und bewußt-unschuldig
lauten, läßt sich der Reim betet und redet, und die Phrase,
daß die Sonne schaukelnd zu Gottes Füßen stehe (statt:
ba/ance) nicht vertheidigen. — Die lyrischen Strophen der
achten Harmonie sind fließend und dichterisch wiedergegeben,
 
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