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t>90 Ausgaben des Reinecke Fuchs,
aber es scheint, dies Komische macht Homers Olymp und GÖthe's
Mephistopheles, so verschieden es in beiden auch ist, allein er-
träglich. Auch hier zeigt sich wieder der natürliche Gegensatz,
in dem diese Thierdichtung mit jeder anderen steht: der Dichter
geht sonst gewöhnlich dem Stoffe nach von der Wirklichkeit aus,
und sucht seine poetische Welt zu schaffen, indem er die Hand-
lungen und das moralische Treiben seiner Charaktere aus der Ge-
wöhnlichkeit unseres Lebens entfernt: umgekehrt war es hier, wie
wir sahen. Hier also würde ich die beiden nothwendigen Bedin-
gungen der Thiersage suchen, dafs sie auf der einen Seite die
Thierwelt in allen ihren ä u fsere n Bezieh u ngen der Wahr-
heit gdmäfs schildert, und ihr nur menschliche Fähigkeiten
(ich wähle noch den unbestimmten Ausdruck mit Fleifs) beilegt,
um uns ihr inneres Getriebe zu erklären, und nur wo dieser letzte
Zweck hier und da ein Herausgehen aus jenen wirklichen äufseren
Zuständen verlangt, nur da darf man zugeben, dafs es geschieht,
zumal da dadurch, wenn es mit Vorsicht geschieht, eine Steige-
rung des komischen Effects hervorgebracht wird, die hier zwar
nicht absichtlich gesucht werden darf, aber darum nicht kleinlich
geflohen zu werden Fraucht, weil die ganze Grundfarbe des Thier-
epos ironisch ist. Die ironische Schilderung hat es eigen, dafs
sie eine gleichmäfsige Heiterkeit hervorbringt, die aber immer an
Ernst grenzen und lieber in satyrischen Eifer oder in tiefe Ge-
danken überstreifen wird, als in frivolen Leichtsinn und in ober-
flächliche und thörichte Späfse. Zu dem ersteren wird sie zum
Theil im Reinardus, zum Theil im Reineke gezwungen, zu dem
letzteren im Renart auf Weg und Steg, der Reinaert im ersten
Theile steht mitten inne. Wenn gleich im Eingänge zu dem fran-
zösischen Romane der Unglauben rege gemacht und auf die Thor-
heit der Annahme einer vernünftigen Thierwelt gleich mit Fin-
gern gedeutet wird, indem man sich auf Bileams Esel, indem
man sich spafshaft auf die Autorität der Bücher beruft:
mes l'en doit croire l’escripture,
a dcsenor muert k bon droit,
qui n’aime livre ne ne croiti
wenn gleich den Thiercharakteren ihre moralischen Bedeutungen
gegeben, im Wolf und Fuchs Gierigkeit und Untreue personificirt
vorgeführt werden, so ist sogleich aller Eindruck weg und die
bestimmteste Hindeutung auf moralische Lehre am Schlufs des
Reineke ist gegen diese so wenig störend, dafs im Gegentheile
Manche darin erst eine Beruhigung finden werden. Hier stellt sich
 
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