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Petrick, über Geist und Christenthum der Zeit.

Der grofse charakteristische Unterschied ist, dafs wir nur
dann etwas zu „glauben“ versichern, wenn wir es nicht un-
mittelbar aus Kenntnifs von der Natur der Sache, sondern aus
Vertrauen entweder auf Personen oder überhaupt auf Kräfte,
denen wir hinreichende Wahrnehmung Zutrauen, als wahr fest-
halten. So glauben wir denen als glaubwürdig gedachten Zeugen
(dafs ein Amerika sey u. s. w.). So glaubt aber auch Mancher,
Gespenster gesehen zu haben, weil er etwas sah und dabei seiner
Urt h ei 1 skr a ft (zuviel) vertraut, dafs sie hinreichend wahrge-
nommen habe, das Erschienene könne nichts Anderes gewesen
seyn. So beginnt, wenn wir bis auf das Tiefste alles Ueber-
zeugtwerdens eindringen, eigentlich a 11 unser Erkennen und
Denken vom Glauben, nämlich vom Vertrauen auf unsere Kräfte,
Wahres zu entdecken, und in diesem Sinn kann von allem Wissen
gesagt werden, dafs es vom Glauben, nämlich an unser Selbst,
ausgehe. Wenn dann aber bei solchem Vertrauen auf sich selbst
der Denker den Gegenstand, wie er An sich ihm erscheint,
unmittelbar betrachtet, so ist ihm das, was er auf diese
Weise aus der direkten Wahrnehmung oder, wie man wohl sagen
kann, aus der Natur der Sache als gewiesen erfalst, ein
Wissen, ein Gewisses, mag es ihm nun durch Sinne, oder
Ideen, oder Schlüsse, unmittelbar von dem Betrachtungs-Gegen-
stand her „gewiesen,“ d. i. gewifs gemacht seyn. Nimmt da-
gegen der Verf. Glauben für jedes zweifelfreie Fürwahrhalten
oder Ueberzeugtseyn, so mufs natürlich sein allzuweiter Begriff
veranlassen, dafs er Manches zum Glaubensgebiet rechnet, was
entweder zum Wissen gehört, oder noch nicht einmal Glauben
ist. Zweifelsfrei ist ohnehin, streng genommen, gar keine Kennt-
nifs, weil das Vertrauen auf unsre Fassungs- und Beurtheilungs-
kräfte nie in der einzelnen Anwendung über alles Zwei-
feln (= über das MÖglichseyn »zweier Fälle«) erhoben
seyn kann.

(Der Beschlufs folgt.)
 
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