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Giseke: Thrakisch-Pelasgische Stämme.

den Kreis des Göttlichen versetzt worden sei. Gerade bei Kadmos
scheine der Fall eingetreten zu sein, dass er sich allmählig von
dem geschichtlichen Volke ganz lostrenne und selbständig auftrete.
Die Erwähnungen bei Hesiod und Homer seien aus dieser Ueber-
gangsperiode, wo der Heros eines untergehenden Stammes in den
Gott sich umgcwandelt habe. Als Gott trete Kadmos nicht selbst-
ständig für sich auf, sondern immer im engen Anschluss an die
Gottheiten von Samothrake. Das Göttersystem von Samothrake nun,
welchem Kadmos als ein ursprünglich ungleichartiges viertes Wesen
sich anschliesse, möge im Fortgang der Zeit durch äussere Umstände
vielfach geändert worden sein, im Ursprung hätten seine drei Haupt-
gottheiten Demeter, Persephone und Hades durchaus den Charakter
eines chthonischen Dienstes, ähnlich dem eleusinischen. Hermes, in
diesen Kreis aufgenommen, habe selbst chthonisch werden müssen,
und als solcher erscheine er zuerst bei den tyrrhenischen Pelasgern
in Attika. Unsere Quellen seien ferner einstimmig, den Kadmos-
Hermes auf ein enges Gebiet zu beschränken und zeigten, wenn
sie den Gebrauch erklären, immer auf die Tyrrhener und auf Böo-
tien als die eigentlichen Grenzen seines Vorkommens. So liege die
Vermuthung nahe, dass die tyrrhenischen Pelasger von Attika, als
sie noch in Böotien weilten, diesen chthonischen Kadmos-Hermes
zu der ursprünglichen Dreizahl Demeter Kore Hades zugesetzt hät-
ten. Durch sie sei das erweiterte System dann in Samothrake ein-
geführt worden. Seien also Pelasger nach den Kadmeern in Böo-
tien sesshaft geworden, so hätten sie den Gott derselben, Kadmos-
Hermes, im Lande vorgefunden und, um ihn sich anzueignen, an
das bei ihnen ursprünglich vorhandene System Demeter Kore Hades
angereiht. Dass er diesen Göttern als dienendes Wesen unterge-
ordnet worden, möge darin seinen Grund haben, dass der Stamm,
von welchem Kadmos zu ihnen überging, in Folge seiner Nieder-
lagen selbst an Macht und Geltung zurückgestanden habe; glaub-
würdiger aber scheine nach Plutarchs Ausdruck (xc^utAZov ano r^s
diaxovtag 7tQO&Y[y6()evov), dass der Wortsinn der Wurzel, von wel-
cher Kadmos stamme, oder mit welcher das Wort wenigstens Zu-
sammenhänge, der Begriff nämlich des Anordnens, auf die Functio-
nen des Opferdieners bezogen worden sei. Insofern aber das An-
ordnen auch von der höchsten Thätigkeit des im Weltall waltenden
Gottes gesagt werden könne, habe später, und dies scheine auf Sa-
mothrake wirklich geschehen zu sein, Kadmos auch gleich Kosmos
gelten können, und dann sei der Person Kadmos mit Recht Har-
monia als Gemahlin beigesellt worden.

(Schluss folgt.)
 
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