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Nr. 15, HEIDELBERGER 1859-
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Giseke: Thrakiscli-Pelasgische Stämme.
(Schluss.)
Als nun die Pelasger über Attika nach Sainothrake und Leinnos ausge-
wandert seien, sei ihr Cult der drei mit Hermes verbundenen Götter in ihrer
einstigen Heimath Böotien zurückgeblieben; eine Priesterin Pelasge habe auch
unter der Herrschaft der Böoter den Dienst des vertriebenen Stammes erhal-
ten, und es hätten sogar die Veränderungen, welche das Dogma erst in Sa-
molhrake erfuhr, rückwärts auf den böotischen Cult gewirkt. Auf Lemnos
und Samothrake nur scheine zu diesem modificirten System ein neues Ele-
ment hinzugetreten zu sein, welches am deutlichsten sich absondere in Lem-
nos, wo Hephäst, der Stammesgolt der Sintier, mit KabeirQ den Kamillos er-
zeugt, den Vater der Kabeiren. Diese seien auf Lemnos in Folge der vulca-
nischen Natur der Insel als Trabanten des Hephäst in den Vordergrund des
Cultus getreten. Anders entwickele sich das kabeirische Element auf Samo-
thrake und in dem böotischen Culte, welcher mit dem samothrakischen in
naher Beziehung geblieben sei. Hier scheine die ursprüngliche Dreizahl selbst
zu Kabeiren geworden zu sein, Kamillos aber oder Kadmilos, auf Lemnos
über sie gestellt, stehe hier noch neben oder vielmehr unter ihnen. Das ka-
beirische Element werde man nicht anders denn als phönikisch ansehen kön-
nen. Darauf führe der Name, die Ableitung der Kabeiren aus Asien, vor
Allem aber das geschichtliche Factum, dass die Phöniker um die Zeit, wo die
Pelasger in den Nordosten des ägäischen Meeres gelangten, ansehnliche Han-
delsniederlassungen in diesen Gegenden hatten. Diesem phönicischen Einfluss
scheine Kadmos durch seine Sonderstellung im System mehr ausgesetzt ge-
wesen zu sein und dadurch einmal in einen Phöniker verwandelt worden zu
sein, andrerseits Harmonia als Gemahlin erhalten zu haben. Letztere sei eine
so inhaltsleere Allegorie, dass sie nur als das Produkt einer philosophirenden
Mythenbetrachtung angesehen werden könne. Als solche passe sie zu der Be-
deutung, welche man in dem Namen Kadmos finden könnte, wie zu seinem
Wirken, letzteres nur veredelt und erweitert. Gerade diese Veredelung aber
und Erweiterung führe auf die Vermuthung, dass in der Verbindung von
Kadmos und Harmonia ein durch Reflection gewonnenes Dogma liege, nicht
ein zum wirklichen Cultus gehöriges. Wie die samothrakische Niederlassung
der Tyrrhener Ursache geworden sei, dem Kadmos Harmonia als Frau zu
geben, so habe die lemnische auf Hypsipyle geführt.
Fulda. Dr. Ostermann.

LII. Jahrg. 3. Heft.

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