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Nr. 9. HEIDELBERGER 1859.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Hü ff er: Die Lebensbeschreibung der Bischöfe Bernward
und Godehard.
(Schluss.)

Durch den Gandersheimer Streit wird aber Thangmar auch zu
Otto III. nach Italien geführt und kann so als Augenzeuge über
die letzten Lebensjahre des Kaisers Nachricht geben, die gerade für
jene verworrene, noch so wenig aufgehellte Zeit doppelt werthvoll
sind. Nichts lässt so sehr als Thangmar’s Erzählung die ganze
Macht- und Haltlosigkeit Otto’s III. erkennen, jenes unglücklichen,
undeutschen oder — muss man es sagen? — gerade in den Natio-
nalfehlern echt deutschen Kaisers. Wir sehen ihn aus seiner Haupt-
stadt Rom vertrieben, auf ein einsames Schloss beschränkt, umringt
von einer feindseligen Bevölkerung, gegen die seine treuen Beglei-
ter bald kaum seinen Leichnam schützen können. Und wie sind
auch in Deutschland Ehrfurcht und Gehorsam geschwunden! Kaiser
und Papst vermögen nicht einen Streit zwischen zwei Bischöfen zu
beendigen; ihre Entscheidungen, die strengsten Befehle bleiben ohne
Wirkung; ihr Gesandter findet Trotz und Verachtung, und die Bi-
schöfe, die sie zur Synode berufen, lassen sich vergeblich erwarten.
Dieser Gandersheimer Streit ist nun der eigentliche Kern von Thang-
mars Werk. Auch ist er von Thangmar nicht ungeschickt, nicht
ohne Kenntniss des kirchlichen Rechtes erzählt, und zu manchen
Abschnitten in dem fast gleichzeitigen grossen Rechtsbuche des
Bischofs Burkhard von Worms liefern die Ereignisse den anschau-
lichsten Commentar (S. VIII f.). Thangmar redet hier übrigens als
Mitbetheiligter, als Mithandelnder, und so ist denn diese ganze Dar-
stellung eine Parteischrift, oft eine Schmähschrift gegen Willegis
und die Aebtissin Sophia. Es ist ein Verdienst des Uebersetzers,
in der Vorrede (S. Xff.), die eigentlichen Streitpunkte angedeutet
zu haben, die Thangmar weder gesondert noch vollkommen deut-
lich hervortreten lässt. Es handelte sich um ein Doppeltes. Zunächst
stritten Willegis und Bernward über die von Alters her nicht fest
bestimmte Grenze zwischen der Mainzer und Hildesheimer Diözese,
und ob das Gandersheimer Stift innerhalb der einen oder der andern
gelegen sei. Hier scheint allerdings das Recht auf Seiten Bern-
ward’s; nur ist zu bedauern, dass wir Thangmar’s einseitigem Be-
richt nicht auch die verlorenen Beweisstücke des Erzbischofs ent-
gegen stellen können. Noch zweifelhafter wird die Entscheidung
in dem zweiten von diesem ganz verschiedenen Streite über die
LII. Jahrg. 2. Heft. 9
 
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