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130 Hü ff er: Die Lebensbeschreibung der Bischöfe Bernward etc.
Exemtion des Gandersheimer Stiftes, welche der Bischof entweder
gar nicht, oder doch nicht in dem Umfange, wie die Aebtissin ver-
langte, anerkennen wollte. Dass das Kloster wirklich dem päpst-
lichen Stuhle unmittelbar untergeben war, ist doch sehr wahrschein-
lich. Dafür spricht die schon lange vor Ausbruch des Streites (etwa
gegen 968) geschriebene Erzählung in dem berühmten Gedichte der
Nonne Roswitha, und noch bestimmter die beiden Privilegien der
Päpste Agapet II. vom 2. Januar 948 und Johann XIII. vom
1. Januar 968, deren Echtheit von Innozenz III. nach sorgfältiger
Untersuchung, und ebenso auch bis jetzt von den bewährtesten Ken-
nern anerkannt worden ist. Hier wird nun in den gebräuchlichen
Ausdrücken das Kloster unmittelbar unter päpstlichen Schutz ge-
nommen, den Nonnen die freie Wahl der Aebtissin, der Besitz und
die Verwaltung ihrer Güter zugesprochen; letztere auch durch kö-
nigliche Urkunden gesicherte Vergünstigungen scheinen sogar die
Hildesheimer Bischöfe anerkannt zu haben. Gerade im 10. Jahr-
hundert waren aber die Exemtionen die Quelle zahlreicher Streitig-
keiten zwischen den Bischöfen und den Klöstern. Häufig wollten
die Bischöfe sie gar nicht anerkennen, wenn sie nicht mit ihrer
Einwilligung ertheilt waren. Ferner stritt man über ihren Umfang,
und im Einzelnen insbesondere darüber, ob die Klöster wegen der
nöthigen Weihen sich nur an den Diöcesan-Bischof, oder an einen
beliebigen wenden dürften, ob es dem Bischöfe erlaubt sei, unge-
rufen in das Kloster zu kommen und sein Aufsichtsrecbt zu üben,
ob er den Nonnen den Ausgang aus der Diöcese untersagen, und
endlich, ob er nach Willkühr dem Kloster Nonnen entziehen dürfe.
Gerade diese Streitfragen wurden nun auch in Gandersheim mit
grösster Erbitterung durchgefochten. Wer dabei im einzelnen Falle
das Recht auf seiner Seite hatte, lässt sich schwer bestimmen; das
Recht selbst war noch nicht festgestellt, sondern erst in der Ent-
wickelung begriffen, bis in den folgenden Jahrhunderten die Klöster
gemeiniglich ihre Ansprüche durchsetzten.
Der Gandersheimer Streit setzt sich unter Godehard, dem Nach-
folger Bernw'ard’s fort. Bernward war vom edelsten Geschlecht
entsprossen und viel in Staatsgescbäften thätig. Godehard, eines
niederen Dienstmannes Sohn, floh den Hof, wo er den Fürsten oft
bittere Wahrheiten sagte. Es ist etwas Derbes, Natürliches, Süd-
deutsches ihm eigen; wenn er bauen und reuten lässt, legt er wohl
selbst Hand mit an; im Umgänge ist er lebhaft, leicht erregbar,
aber wieder heiter und zum Scherze geneigt, so dass manches
witzige, treffende Wort von ihm erzählt wird. Den Staatsangele-
genheiten hielt er sich fern, um seine kräftigste Thätigkeit ganz
der Begründung und Erneuerung eines strengen eifrigen Kloster-
lebens zuzuwenden. Dafür hat er ein ausserordentliches Geschick
gezeigt; er war ganz der Mann, den Heinrich der Heilige brauchte.
So hat er denn auch der Wissenschaft und den Künsten — den
nützlichen wohl mehr als den schönen sich förderlich erwiesen.
 
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