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Nr. 14. HEIDELBERGER 1859.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen
Geschichte.

(Schluss.)
Nimmt man noch dazu, dass bei Bignon, Formul. X. „epi-
stola conculcaturia“ correspondirt, so möchte nicht zweifelhaft bleiben
können, dass das Prädikat „triscabina“ auf den Inhalt und nicht auf
die Form der Urkunde zu beziehen ist. Sodann muss aber wohl „carta
triscabina“, als verdorben aus „triscapina — triwescapina (triwa,
trewa, treuga, Treue, Handfrieden, Sühne; scap = nhd. schäft) betrach-
tet und als „ T r e u s c h a f t s u r k u n d e “, d. h. als „carta securitatis“
gegen eine gerichtliche Verfolgung erklärt werden, was diese Urkunde
auch wirklich ist. Ganz falsch ist die Erklärung von epistola con-
culcaturia bei Du Cange, v. conculcaturia, welcher darin eine
Trennungsurkunde der Verbindung des servus mit der von
ihm entführten femina ingcnua sehen will. Von einer solchen Tren-
nung ist aber in der Urkunde bei Bignon, Form. X., wo dieser Aus-
druck erscheint, wie bereits (S. 207) erwähnt wurde, gar nicht die Rede:
im Gegentheil wird erzählt, dass eine Sühne zwischen der Familie
der entführten freien Frau und dem Entführer (dem servus) zu
Stande gekommen ist, und dass der Abt, als Herr des servus, be-
willigt, dass die Frau und die zu erwartende Descendenz aus dieser
Verbindung ^„agnatio si paruerit, d. h. apparuerit“) freien Stan-
des bleiben sollen, was also die Bewilligung des Fortbestandes der
Verbindung in sich schliesst, wofür sich auch sonst viele Beispiele
finden. (Vergl. z. B. Urk. Nr. IX. Saecul IX. in Monum. Boic.
Bd. 28. II. p. 9. 10.) Dass hiernach „epistola conculcaturia“ nicht
als Trennungsurkunde einer Ehe aufgefasst werden kann, liegt klar
vor. Der Sinn ergibt sich aber daraus, dass es sich in vorliegen-
dem Falle um die Niederschlagung des Criminalverfah-
rens handelte, dem der servus als Entführer einer ingcnua femina
verfallen war. „Epistola conculcatoria“ ist also eine Nieder-
schlagungsurkunde. Diesem noch heut zu Tage allgemeinen
Ausdrucke „Niederschlagen von Untersuchungen, Prozessen“ ent-
spricht auf das genaueste das alte „conculcare justitiam“ (vgl. Cap.
Ludov. II. a. 855. c. 1, Pertz, Legg. I. p. 436). — Als ein be-
sonderer Grund, weshalb hier der von einem servus entführten
femina ingenua und ihrer Descendenz die Freiheit zugesichert wird, ist
in der Salzburgischen Formel XXIII. p. 86 angeführt: „ma-
xime vero, quia tu infra noctes XL, secundum legem salicam Visa,
UL Jahrg. 3. Heft, H
 
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