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Nr. 2. HEIDELBERGER 1859.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Biedermann: Die Wissenschaft des Geistes. IL
(Schluss.)

So soll der Geist construirt werden, in dem man vom Be-
wusstsein zum Denken, vom Denken zum Wissen und von diesem
zur Wahrheit aufsteigt, und die jedesmalige Bethätigung der Wahr-
heit der Geist ist. Ein solcher Geist ist aber ein von den in den
einzelnen Menschen lebenden Geistern abgezogener Begriff, der nur
in und mit den concreten Menschengeistern irgend eine Realität hat.
In ähnlicher Weise ist es auch mit der Wahrheit, die einzig und
allein von den wahren Behauptungen concreter Menschengeister durch
den Verstand losgeschält wird, während sie als Menschenwahrheit
an und für sich so wenig existirt, als der Menschengeist an und für sich
ohne die einzelnen Menschengeister.
Diese sogenannte Heranbildung des Geistes will der Hr. Verf.
von S. 299 an geschichtlich darstellen. Zuerst bewährt sich nach
ihm das Bewusstsein, und erscheint als Wissenschaft des Verstandes,
und zwar als das sinnliche Bewusstsein in der vorsokratischen
Zeit der Griechen, als das übersinnliche in Sokrates, Plato
und Aristoteles, als Selbstbewusstsein in der mit den Stoikern
beginnenden Zeit. Nun trennt er vom Bewusstsein das Denken, und
lässt auch dieses sich abermals als Wissenschaft der Vernunft ge-
schichtlich bewähren und zwar am Glauben in der patristischen,
arabischen und scholastischen Philosophie, innerhalb der
Erkenntniss in der durch Sprachwissenschaft, Naturwis-
senschaft und Erfahrung, vermittelten Erkenntniss, endlich am
Denken selbst in Descartes, Spinoza und Leibniz. Jetzt
muss das Denken sich zum Wissen erheben, und hier bewährt sich
erst die Wissenschaft des Geistes im Wesen des Wissens durch
Kant, in der Art und Weise des Wissens durch Hegel. So will-
kührlich in dieser Darstellung die Trennung des Bewusstseins, des
Denkens und des Geistes, der Wahrheit des Verstandes, der Ver-
nunft und des Geistes erscheint, so wenig begründet ist die Nach-
weisung dieser Trennung durch die Geschichte. So wird die ganze
Griechische Philosophie mit ihren unsterblichen Denkern unter die
Vorschule der geschichtlichen Bewährung des Bewusstseins als der
Wissenschaft des Verstandes gesetzt, während sich alle von dem
Verfasser unterschiedenen Stufen der Sinnlichkeit, des Verstandes,
der Vernunft, des Geistes an sich bei den Griechen finden, und
diese alle Entwicklungsperioden eben so, wie die neuern, durchlaufen
MI. Jahrg. 1, Heft, 2
 
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