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Br. 2. HEIßElliERGF.R 1S6S.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Language and the study of language. Twelve lectures on the prin-
ciple of linguistic science by W. Whitney. London 1867.
489 pg. 8.
Der Verfasser des vorliegenden Werkes ist den Orientalisten
vom Fach durch seine Ausgabe des Atharva-veda und andere Ar-
beiten als gründlicher und scharfsinniger Forscher bekannt und
Vorlesungen über vergleichende Sprachwissenschaft von seiner Hand
berechtigten vom Anfänge an zu bedeutenden Erwartungen. Diese
werden denn auch durch den Gebrauch des Werkes nicht getäuscht
und selbst der deutsche Leser wird dieses der Natur der Sache
nach zumeist auf deutsche Quellen gebaute Buch mit Nutzen ver-
werthen können, obwohl es für ihn zunächst nicht bestimmt ist,
sondern namentlich dazu dienen soll, das amerikanische Publikum
in die noch so junge Wissenschaft einzuführen. Natürlich hat so-
wohl das amerikanische wie das englische Publikum eigene von den
Deutschen abweichende Bedürfnisse und es muss eigentlich befrem-
den, dass ein ähnliches, durch seine Anlage für Deutsche bestimmtes
Werk bis jetzt nicht geschrieben ist, ein solches schiene uns wün-
schenswerther als eine Uebersetzung des vorliegenden Buches. Von
den bekannten Vorlesungen über Sprachwissenschaft von Μ. Müller
unterscheidet sich Herrn Whitney’s Arbeit nicht blos in Einzeln-
heiten, sondern zum Theil auch in den Grundanschauungen, wie
aus der folgenden Uebersicht hervorgeben wird.
Um die Leser allmälig, von dem Leichtern zum Schwerem
fortschreitend, in die Sprachwissenschaft einzuführen, stellt Hr. Wh.
am Beginne seiner Vorlesungen (p. 10) die Frage: »warum spre-
chen wir so wie wir sprechen?« und zwar zunächst unsere Mutter-
sprache. Die Antwort auf diese Frage fällt nicht schwer: wir spre-
chen so, weil wir es nicht anders gelernt haben. Wir verdanken
unsere Sprachkenntnisse unseren Aeltern und Geschwistern, unseren
Freunden und Zeitgenossen; von ihnen lernen wif~ nicht blos die
Wortformen , sondern auch bestimmte Begriffe mit den einzelnen
Wörtern zu verbinden. Die so gewonnenen Kenntnisse ergänzen
wir im Laufe der Zeit durch Lesen und erwerben uns dadurch
neue Begriffe und Vorstellungen, selbst von solchen Dingen, welche
uns an dem Orte, wo wir leben, der Natur der Sache nach fremd
bleiben mussten. Der Grund nun, warum wir als Sprache die
Sprache unserer Landesgenossen erlernen, ist: weil wir wünschen,
auch von ihnen verstanden zu werden. Um diesen Zweck zu er-
reichen, erlernt Jeder die Sprache des Landes, in dem er lebt,
LXI. Jahrg. 1, Heft. 2
 
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