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Nr. 27.

HEIDELBERGER

1868

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
—1,1 '· -.—.' 1.

J. Hermens, Der Orden vom heiligen Grabe, mit Illustrationen.
Düsseldorfs Schaub’sehe Buchhandlung 1867. 4. X p. 139.
Chateaubriand erzählt in seinem itineraire de Paris ä Jerusa-
lem, wie er vor seiner Abreise aus der heiligen Stadt vom Pater
Guardian des hl. Grabes den Orden erhielt, der von dem Zielpunkt
frommer Wallfahrt seinen Namen trägt. Es geschieht ganz in der
charakteristischen Weise, die sich bei ihm nie verleugnet. Poetische
Ueberschwenglichkeit und historische ünkenntniss reichen sich gläu-
big die Hände und verscheuchen jeden Zweifel an der Aechtheit
der Tradition, die bei den Ceremonien des Ritterschlags Schwert
und Sporen des ersten Königs von Jerusalem gebrauchen lässt. Dann
erscheinen ihm auch diese Ceremonien nicht so bedeutungslos, wie man
glauben möchte. Der Gedanke an seinen grossen Landsmann
(Gottfried von Bouillon ist bekanntlich wie Karl der Grosse unbe-
strittenes Monopol der Franzosen), dessen Waffen ihn berühren,
erfüllt ihn mit neuer Begeisterung für den Ruhm und die Ehre
seines Vaterlandes: denn, wenn er sich auch nicht den vollen Titel
Bayard’s vindiciren kann und zugeben muss, dass er kaum sans
reproche sein möchte, sans peur ist er doch wie jeder Franzose.
Ob Alle, die, seitdem der Verfasser von Atala die heiligen Orte
besuchte, den Orten erhalten, ihn unter ähnlichen Phantasieen sich
erworben haben, kann man dahin gestellt sein lassen. Jedenfalls
ist der Gedanke ein verdienstlicher, den Fabeln einmal zu Leibe
zu gehen , die sich so gern an derartige Institutionen ankleben,
und er verspricht um so mehr, wenn er von der Ueberzeugung ge-
tragen ist. dass »der Orden in den Augen aller wohlmeinenden
Katholiken nur gewinnen kann, wenn seine Geschichte von allen
unhistorischen, märchenhaften Legenden und Zuthaten befreit wird.«
Die Frage nach Ursprung und eigentlicher Bedeutung lässt
sich nun gerade nicht so leicht beantworten, und man muss ge-
stehen, der Verfasser vorliegender Abhandlung hat sich seine Auf-
gabe nicht leichter gemacht, als er konnte: er hat alle Schrift-
steller, selbst solche, über deren Werthlosigkeit das Urtheil längst
feststeht, nochmals geprüft, ihre Meinungen nochmals besprochen,
wodurch seine Untersuchung vielleicht hie und da schwerfällig wird,
aber nie das Streben nach möglichster Gründlichkeit verleugnet.
Die vier ersten Abschnitte geben die eigentlichen Resultate; was
von S. 60 ff. an gesagt wird, besonders gegen die Schrift des Gra-
fen Allemand, hat auf die Beantwortung der Kernfragen keinen
direkteren Einfluss. Folgen wir in aller Kürze der Untersuchung.
LXI. Jahrg, 6. Heft. 27
 
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