Nr. IS. HEIDELBERGER 136S.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Logik und Metaphysik. Von Dr. Leonhard Rabus, Pro-
fessor der Philosophie am königl. bayr. Lyceum in Speyer.
Erster T h eil: Erkenntnisslehre, Geschichte der Logik, System
der Logik, nebst einer chronologisch gehaltenen Uebersicht über
die logische Literatur und einem alphabetischen Sachregister.
Erlangen^ Verlag von Andreas Deichert. 1868. XVI u. 528 S.
Der Verfasser legt hiermit dem Publikum den ersten Theil
eines Werkes vor, welcher a) eine Erkenntnisstheorie, b) eine Dar-
stellung der Geschichte der Logik bis auf die Gegenwart und c)
das System des logischen Denkens enthält.
Im Streben nach Wahrheit will der Menschengeist sich klar
werden auch über die Mittel und Wege zu seinem Ziele. Die Ge-
schichte der Philosophie bekundet solches zur Genüge; namentlich
ist es die Philosophie der neueren Zeit, welche mit frischem Eifer
an eine gründliche Beantwortung der einschlägigen Fragen sich
gemacht hat. Aber noch manche dahin gehörige Aufgaben harren
ihrer Lösung; denn nur langsam vermag die Wissenschaft vom Er-
kennen und Denken sich zu entwickeln, sowohl darum, weil ihr
Gegenstand nicht auf der Oberfläche der Dinge zu Hause ist, als
auch in Folge der fortwährenden Wechselwirkung mit den übrigen
Zweigen des Wissens, ja mit dem gesammten Leben.
So hat die Wissenschaft vom Erkennen an ihrem Theile vor-
nehmlich daran zu arbeiten, den Rationalismus zu überwinden,
welcher, von der modernen Philosophie selbst vielfach gehegt, in
mannigfachen Gestalten die verschiedenen Gebiete des Wissens lange
genug misshandelt hat und unter Anderem auch in dem sogen.
Gegensatz von Glauben und Wissen einen eigenthümlichen Aus-
druck besitzt. Ein Bruch zwischen Gemüth und Geist, zwischen
Anschauung und Denken, ein intellectueller Egoismus, der, anstatt
den Gegenstand erst zu lernen und aus ihm sich zu bereichern und
zu erbauen, denselben gewaltthätigen Sinnes sofort nach eigenem
Gutdünken sich zurecht legt, eine hoffäbrtige üeberhebung mensch-
licher Freiheit über das Gegebene und Frühere, das ist es, worin
der Rationalismus seine Wurzeln treibt. Zwar fehlen nicht treff-
liche Untersuchungen, welche die Mangelhaftigkeit und Gefährlich-
keit jener Richtung nachzuweisen streben. Aber die Hydra, welcher
die abgeschlagenen Köpfe immer von Neuem und verdoppelt er-
wachsen, ist — wenn es die Wissenschaft überhaupt vermag —
noch lange nicht tödtlich getroffen; es gilt fort und fort, das Er-
kennen genau zu erforschen in seinem Connexe sowohl mit den
LXI. Jahrg, 3. Heft. 13
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Logik und Metaphysik. Von Dr. Leonhard Rabus, Pro-
fessor der Philosophie am königl. bayr. Lyceum in Speyer.
Erster T h eil: Erkenntnisslehre, Geschichte der Logik, System
der Logik, nebst einer chronologisch gehaltenen Uebersicht über
die logische Literatur und einem alphabetischen Sachregister.
Erlangen^ Verlag von Andreas Deichert. 1868. XVI u. 528 S.
Der Verfasser legt hiermit dem Publikum den ersten Theil
eines Werkes vor, welcher a) eine Erkenntnisstheorie, b) eine Dar-
stellung der Geschichte der Logik bis auf die Gegenwart und c)
das System des logischen Denkens enthält.
Im Streben nach Wahrheit will der Menschengeist sich klar
werden auch über die Mittel und Wege zu seinem Ziele. Die Ge-
schichte der Philosophie bekundet solches zur Genüge; namentlich
ist es die Philosophie der neueren Zeit, welche mit frischem Eifer
an eine gründliche Beantwortung der einschlägigen Fragen sich
gemacht hat. Aber noch manche dahin gehörige Aufgaben harren
ihrer Lösung; denn nur langsam vermag die Wissenschaft vom Er-
kennen und Denken sich zu entwickeln, sowohl darum, weil ihr
Gegenstand nicht auf der Oberfläche der Dinge zu Hause ist, als
auch in Folge der fortwährenden Wechselwirkung mit den übrigen
Zweigen des Wissens, ja mit dem gesammten Leben.
So hat die Wissenschaft vom Erkennen an ihrem Theile vor-
nehmlich daran zu arbeiten, den Rationalismus zu überwinden,
welcher, von der modernen Philosophie selbst vielfach gehegt, in
mannigfachen Gestalten die verschiedenen Gebiete des Wissens lange
genug misshandelt hat und unter Anderem auch in dem sogen.
Gegensatz von Glauben und Wissen einen eigenthümlichen Aus-
druck besitzt. Ein Bruch zwischen Gemüth und Geist, zwischen
Anschauung und Denken, ein intellectueller Egoismus, der, anstatt
den Gegenstand erst zu lernen und aus ihm sich zu bereichern und
zu erbauen, denselben gewaltthätigen Sinnes sofort nach eigenem
Gutdünken sich zurecht legt, eine hoffäbrtige üeberhebung mensch-
licher Freiheit über das Gegebene und Frühere, das ist es, worin
der Rationalismus seine Wurzeln treibt. Zwar fehlen nicht treff-
liche Untersuchungen, welche die Mangelhaftigkeit und Gefährlich-
keit jener Richtung nachzuweisen streben. Aber die Hydra, welcher
die abgeschlagenen Köpfe immer von Neuem und verdoppelt er-
wachsen, ist — wenn es die Wissenschaft überhaupt vermag —
noch lange nicht tödtlich getroffen; es gilt fort und fort, das Er-
kennen genau zu erforschen in seinem Connexe sowohl mit den
LXI. Jahrg, 3. Heft. 13