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Palacky u. Höfler: Geschichte des Hussitenthums.

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Kraft erlangt, aus thierischer Barbarei zu humaner Bildung, aus
absoluter Rechtlosigkeit zum Genüsse einer mehr oder weniger be-
schränkten Freiheit zu gelangen. Dagegen führt Palacky in einem
höchst interessanten Abschnitte »von den Unterschieden in der
Geschichte der Deutschen und der Slawen« (S. 74—89-) aus: die
Slaven haben und hatten freilich von jeher ihre besonderen National-
eigenthümlichkeiten, sie gehören nicht zu der Klasse der erobern-
den Völker (der alten Römer, Deutschen, Hunnen, Türken, Magya-
ren u. s. w.), bei welchen die Gewalt oder die Macht des Stärke-
ren alle Rechts- und politischen Verhältnisse gestaltet hat, sondern
zu derjenigen der friedliebenden und erwerbfleissigen (der Juden,
der Griechen u. A.), bei welchen Recht und Eigenthum mehr auf
einem freiwilligen, durch das Gefühl gemeinsamer Solidarität be-
dingten Uebereinkommen ruht; ihre Gesetze sind nicht aus der
Willkür einzelner Machthaber geflossen, wie insbesondere bei den
alten Römern und in der Folge bei den Deutschen, sondern aus
dem vereinbarten Willen der Gesammtheit, so dass bei ihnen von
jeher das Naturrecht vor dem positiven den Vorrang behauptet
hat; alle Schilderungen des altslawischen Volkslebens bezeugenein-
stimmig, dass die bei den erobernden Völkern vorhandenen poli-
tischen Unterschiede der Stände, das Kastenwesen und die Un-
gleichheit vor dem Gesetze unbekannte Dinge bei ihnen waren;
diese Eigenthümlichkeit hat und hatte freilich, wie die Geschichte
lehrt, ihre nicht geringen Gefahren, ihre gefährlichste Klippe ist
die Ungebundenheit oder die Scheu und der Widerwille, sich
irgend einer Autorität freiwillig unterzuordnen ; auch haben solche
Völker wenig oder fast keine staatenbildende Kraft in sich, sie
pflegen nur in Zeiten der Noth vorübergehend zu einer grösseren
Concentration ihrer Macht zu schreiten. Darf man deshalb jedoch
abschätzig über sie urtheilen ? Bietet das Leben der erobernden
Völker nicht ebenso grosse Schattenseiten dar, nur von anderer
Art? Es unterliegt allerdings keinem Zweifel, dass die Deutschen
in Civilisation, Gesittung und Bildung einen grossen Vorsprung vor
den Slaven haben, aber diese Superiorität darf nicht einem speci-
flisch edleren Blute derselben, sondern ihrer viel früheren Verbin-
dung mit den Culturvölkern des Alterthums und ihrer früheren
Christianisirung zugeschrieben werden. »Ironie des Schicksals!
Rechtsanschauungen und Zustände, welche vor einem Jahrtausende
als Genieingut der Slawen noch für barbarisch gehalten wurden,
bilden heutzutage den Stolz und die Sehnsucht der civilisirtesten
Völker des Abendlandes, und dennoch verschreit man die Slawen
als halbe Barbaren! (S. 89)«
2. Der gewichtigste Vorwurf, welchen Höfler gegen Hus und
die ganze hussitische Bewegung erhebt, ist der Deutschenhass und
der cechisch nationale Fanatismus. Man feierte, sagte er, in Hus
eineu Reformator, man sieht im Hussitismus die Morgenröthe der
grossen Glaubenserneuerung des XVI, Jahrh.; man sollte damit
 
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