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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 18 - Nr. 25 (4. März - 28. März)
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zer Vollisblatt.

Mittwoch, den 4. März 1874.

7. Jahrg.

orſcheint Mittwoch und Sam ſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4,
nIyund bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Eine ſchreckliche Nacht.
Erzähl. aus der engl. Verbrecherwelt von Hakim Abu Ruken.
Schluß
Auls ich die Beſinnung wieder bekam, ſaß ich auf-

recht und fühlte mich von ſtarken Armen gehalten, der
Waggon aber befand ſich in Bewegung. Ich ſchlug die

Augen auf und ſah Herrn Wilmot und den Kaſſirer-

neben mir und auch unſern Hausknecht und den Sta-
tionsmeiſter von W. Einen Augenblick glaubte ich, ich
ſei im Himmel. Die Erde war vielleicht zu Grunde
gegangen, und am Auferſtehungstag treffen ſich ja die
Freunde. Ich machte einen Verſuch, zu ſprechen, ober
es ging nicht; man verſtand jedoch das Zeichen, wel-
ches ich mit der Hand machte. ö ö
„Er will etwas zu trinken,“ Herr Wilmot, „hat
Jemand von Ihnen Branntwein bei ſich?“
Der Hausknecht hatte ſolchen, aber es war nicht
nöthig, davon zu trinken, denn der Zug hielt eben in
W. Ich wurde in die Eiſenbahn-Reſtauration gebracht
und einem Wundarzt übergeben. Die Wärme und ei⸗-
nige Stimulanzen brachten mich bald ſoweit zu mir,
daß ich erzählen konnte, was paſſirt war, d. h. ſoweit
ich es verſtand. Der Stationsmeiſter ergänzte meinen
Bericht inſofern, als er verſicherte, daß die Räuber
einen beſtimmten, vorher wohl überlegten und fein aus-
gearbeiteten Plan gemacht haben müßten, denn ſonſt
wäre die Ausführung des Diebſtückchens unmöglich ge-
weſen. Sie ſeien wahrſcheinlich während der Fahrt
aus dem Coupefenſter auf das Gangbrett geſtiegen und
hätten am Kulminationspunkt des aufſteigenden Weges den
Wagen ausgehängt, der, dem Geſetz der Schwere folgend,
nun rapid bergab gelaufen ſei. Der Platz ſelbſt war ſehr

geſchickt ausgewählt worden, denn hier iſt die Gegend

einſam und jedes Stationshaus fern. Als man auf der
letzten Station den letzten Waggon vermißte, wurde ſo-
fort nach W. telegraphirt, und ſo kam es, daß faſt
gleichzeitig zwei Lokomotiven abgeſchickt wurden, um zu
ſuchen, und dieſe waren es, deren Pfeifeu mich ſo tödt-
lich erſchreckte.
Heerr Wilmot hatte noch denſelben Abend erfahren,
daß das oben erwähnte Telegramm gefälſcht war.
Herr Dane, dem er nach M. telegraphirte, daß das
verlangté Geld unterwegs ſei, antwortete nämlich ſo-

gleich, daß er nicht wiſſe, was Herr Milmot meine,

da er kein Geld verlangt habe und keins gebrauche.
Von tödtlicher Angſt getrieben, eilte er nun mit Kaſ-
ſirer und Hausknecht auf die Eiſenbahn und ſie kamen
rechtzeitig genug, um noch die Lokomotive beſteigen zu
können, die eben abgeſchickt werden ſollte, den Waggon
zu ſuchen. Herr Wilmot geſtand mir, daß er einen
ſchweren Verdacht gegen mich gehabt habe, beſonders
als er auf der Station erfuhr, daß mein Waggon ver-
mißt werde. ö
Man hielt die beiden Männer, welche in das an-
dere Coupe eingeſtiegen waren, für meine Mitſchuldi-
gen und wunderte ſich ſehr, daß man ſich ſo in meiner
Perſon getäuſcht habe. Als ich in meinem hülfloſen
Zuſtande gefunden wurde, ging den Suchenden natür⸗—
lich ein anderes Licht auf. ö ö
Es handelte ſich jetzt derum, die Räuber zu ent-
decken und ihnen wo möglich ihre Beute wieder abzu-
jagen, denn 19,000 Pfund Sterling ſind ſelbſt für die
reichſte Bankgeſellſchaft keine Kleinigkeit. Es wurden
alſo, ſowohl von W. als von M., Geheimpoliziſten nach
dem Orte des Verbrechens geſchickt, und zwar mit
Spezial⸗Lokomotiven, die die ganze Nacht auf Rechnung“
unſerer Bank geheizt blieben. Endlich kehrte einer
derſelben mit einer goldenen Uhr zurück die man im
Schmutze unweit der Stelle gefunden hatte, wo der
Waggon ausgeraubt worden war. Die Uhr gehörte
weder mir, denn die meinige befand ſich unberührt in
meiner Taſche, noch irgend Jemand von unſern Be-—
kannten, alſo wahrſcheinlich einem der Diebe, dem ſie
vielleicht beim Aufheben der Geldkiſten aus der Taſche
gefallen war. Aber wem gehörte ſie? — die engliſchen
Uhren gleichen ſich unter einander wie Eier, und ein
Name war nicht eingravirt. Herr Wilmot und Herr
Dane ſahen die Uhr lange an, aber ſie ſahen nicht
mehr an derſelben wie wir Alle. Indeſſen hatte ſich
die Nachricht von dem großen Raub durch die ganze
Stadt verbreitet, obgleich wir alle Vorſichtsmaßregeln

angewandt hätten, die Sache zu verheimlichen. Jung

und Alt ſtrömte trotz der frühen Morgenſtunde herbei,
und unter Andern kam auch der Uhrmacher Wilſon,
der für Herrn Wilmot zu arbeiten pflegte, und beſah
ſich die Uhr auf Wunſch des Geheimpoliziſten. Nach-
dem er ſie geöffnet und genau betrachtet hatte, erklärte
er, daß er die Uhr kenne, er habe ſie öfter für Herrn
Wilmot reparirt und könne die Reparaturen nach⸗—
weiſen. ö

„Die Uhr,“ ſagte er, „gehörte vor ungefähr drei
 
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