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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 35 - Nr. 40 (2. Mai - 20. Mai)
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gheidelberzer Volls

latt.

Nr. 35.

Samſtag, den 2. Mai 1874.

7. Johrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4
ö und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. ö

Der Mulatte.
Novelle von C. Brunn⸗Gabris.
(Fortſetzung).

„Du wirſt es ſonderbar finden — mein Vater ge-
wann Sara, ſo hieß meine Mutter, lieb und heirathete
ſie. Mein Vater war ein Kunſtgärtner, und da er
mit einigen Mittteln angefangen hatte und, wie ſeine
Gattin, mit rüſtiger Thätigkeit fortarbeitete, konnte er
jedes Jahr eine Summe zurücklegen für ſeinen Sohn,
der vor allen Dingen eine gute Erziehung genießen,
dann aber auch einiges Vermögen erben ſollte. Ich
entſnne mich dunkel des kräftigen, hübſchen Mannes,
den ich Vater nennen durfte, des freundlichen Hauſes
und großen Gartens, in dem ich meine erſten Lebens-
jahre verbrachte. So war ich vier Jahre alt gewor-
den, als mein Vater eine Reiſe unternahm, von der er
in drei Wochen zurückkehren wollte. Es vergingen drei
bis vier Wochen, ohne daß er wiederkam, meine Mut⸗—
ter ſing an, allerlei Beſorgniſſe zu hegen und Nachfor-—
ſchungen anzuſtellen. Zu letzterem Zweck wandte ſie
ſich an einen Advokaten, dem ſie genaue Auskunft über
alle ihre Verhältniſſe, ſowie über die Reiſe meines
Vaters geben mußte. Letzterer hatte zum Hauptziel
derſelben Trenton gehabt, alſo galt es, zuerſt wo mög-
lich von dort her Nachricht zu erhalten. Der Advokat
— Keech hieß er — ließ ſich die Namen Derjenigen
nennen, mit denen mein Vater dort zu thun hatte, und
verſprach, alles was in ſeinen Kräften ſtehe, aufzubieü
ten, um meiner Mutter Gewißheit über den Verbleib
ihres Gatten zu verſchaffen. Nach einigen Tagen kam
er wieder in unſere Wohnung und gab vor, Antwort
auf ſeinen Brief erhalten zu haben, dahin lautend,
daß mein Vater, um einen vortheilhaften Kauf abzu-
ſchließen, ſeine Reiſe weiter fortgeſetzt habe und zwar
nach einer kleinen Stadt in der Nähe von Baltimore,
dort müſſe man nun weitere Erkundigungen einziehen.
Wieder nahm der Advokat es bereitwillig auf ſich, die
nöthigen Schritte zu thun und kam nach Verlauf einer
Woche abermals zu uns. Er gab ſich den Anſchein
tiefſter Theilnahme, und mit vorſichtigem Zögern ver-
kündete er meiner Mutter, daß der Vater krank im
Hoſpital zu Baltimore liege, zu ſchwach ſei, um ſchrei-
ben zu können, aber den dringenden Wunſch ausgefpro-
chen habe, Frau und Kind zu ſehen. Mr. Keech erbot

ſich mit Zuvorkommenheit, uns zu meinem Vater zu

begleiten, damit wir ſicher zu ihm kämen. Meine Mut-
ter, die zu arglos war, um der übertrieben großen
Freundlichteit des Advokaten zu mißtrauen, nahm das
Erbieten als einen Beweis großer Gutherzigkeit mit
gerührtem Dank an, und machte ſich ſo mit Mr. Keech
und mir auf den Weg. Auf der Reiſe blieb dieſer die

Zuvorkommenheit ſelbſt, kurz vor Baltimore rieth er

meiner Mutter, in einem alleinſtehenden Gaſthauſe zu
übernachten, damit ſie am Tage in Baltimore ankomme,
da ſie ſpät Abends doch nicht im Hoſpital Einlaß finde.
Sie folgte auch dieſem Rathſchlage, um mit friſchen
Kräften bei meinem Vater einzutreffen. Als ſie am
andern Morgen die Thür ihres Zimmers öffnen wollte,
fand ſie dieſelbe verſchloſſen und wähnend, daß dies ein
Verſehen ſei, klopfte ſie laut; als endlich geöffnet
wurde, trat ihr ein Fremder entgegen. Auf ihre Frage
nach Mr. Keech, entgegnete er höhniſch lachend:
„Heh, Sara, Du willſt Dich wehl bedanken dei
Deinem guten Freund, der Dich zu Deinem rechtmäßi⸗—
gen Herrn zurückgebracht hat; der iſt mit ſeinem Fang-
gelde längſt auf und davon.“
Meine Mutter ſtarrte den rohen Menſchen erſchreckt
an, erſt nach und nach kam ſie zu der Einſicht, daß
ſie in die Hände eines Schurken geraden war,
der ſie an einen Sklavenhändier verkauft hatte.
Umſonſt betheuerte ſie, eine freie Schwarze zu ſein
umſonſt botſſie Belohnung über Beiohnung, wenn
man ſie nach New York zurücklaſſe, drohte, daß
ihr Gatte ſie rächen werde. Kein Jammern, kein Fle-
hen, keine Drohungen halfen, ſie wurde mit mir an
einen Pflanzer nach Süd-Carolina verkauft, und um
der hinterliſtigen That einen Anſchein des Rechtes zu
geben, für eine entfltohene Sklavin ausgegeben. Daß
ihre Betheuerungen — dem ſei nicht ſo, nichts halfen,
iſt leicht erklärlich, was galt das Wort der Schwarzen
gegen das Zeugniß des Weißen. Umſonſt hoffte ſie,

daß ihr Gatte ſie ſuchen, ſinden und dann erlöſen würde

— Monate vergingen, und ſie war noch immer die un-
glücklicke Sklavin des harten Pflanzers, und ihr Kind
war ihr einziger Troſt.
Noch ehe ein Jahr vorüber war, erlag ſie den un-
gewohnten Arbeiten auf den Baumwollen⸗Plantagen und
dem Gram. — Mein Glück war es, daß Mr. Walden,
der auf einer Reiſe die Pflanzung meines harten Herrn
berührte, Wohlgefallen an mir fand, und da an einem
Kinde von fünf Jahren nicht viel gelegen war, leicht
in ſeinen Beſitz brachte.
Die Schmerzen und Leiden meiner Mutter waren
 
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