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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

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Widmer, Karl: Vom neuzeitlichen Schlafzimmer, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0287

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INNEN-DEKORATION 275

ARCHITEKT EDUARD LYONEL WEHNER IN DÜSSELDORF

WINTERGARTEN IM HAUSE DR. BENDER IN KUPFERDREH

VOM NEUZEITLICHEN SCHLAFZIMMER.

Seit dem achtzehnten Jahrhundert, wo sich im Zeitalter
der Galanterie ein eigener Stil des Schlafzimmers
herausgebildet hat, ist dieser Raum zu einem wichtigen
Gegenstand künstlerischer Kultur geworden. Seitdem
haben sich auch zwei Hauptformen seiner künstlerischen
Erscheinung entwickelt: Das Schlafzimmer der Rokokozeit
und das moderne Schlafzimmer. Das Rokokoschlaf-
zimmer erreicht seine charakteristische Vollendung zuerst
in den Palais der französischen Aristokratie. Es ist das
Produkt einer Kunst, die fast ganz im Kultus der Frau
aufgeht. Der eigentliche Künstler dieses Raums ist nicht
der Architekt und der Möbelzeichner, sondern der
Tapezier. Unter seinen Händen verwandelt sich der
Raum in ein duftiges Kunstwerk aus farbigen Stoffen,
Mousseline und Spitzen, dessen Mittelpunkt das seiden-
verhängte Himmelbett ist. So wird die künstlerische
Ausstattung des Schlafgemachs gleichsam zur erweiterten
Toilette seiner Bewohnerin, die hier mit allem Raffine-
ment einer erotisch gestimmten Eleganz umgeben wird.
Dieses Schlafzimmer verwandelt sich im Lauf des neun-
zehnten Jahrhunderts in das moderne. Die Elemente
dieser Form, die zum Teil schon in den bürgerlichen
Schlafräumen aus dem achtzehnten und dem Anfang des
neunzehnten Jahrhunderts vorgebildet waren, haben die
Engländer, etwa seit der Mitte des letzten Jahrhunderts,

zum ersten Mal zusammengefaßt und in konsequenter
Weiterbildung zum Prinzip eines neuen Schlafzimmerstils
erhoben. Auf dieser Grundlage wurde die Form ge-
funden , die nicht nur den Bedürfnissen des einfachen
Bürgerhauses, sondern auch den verwöhnten Ansprüchen
der Eleganz und des Luxus angemessen war. Damit ist
das englische Schlafzimmer für unsere Zeit ebenso vor-
bildlich geworden, wie das französische für das achtzehnte
Jahrhundert. Jedenfalls läßt sich für Deutschland der eng-
lische Einfluß auf die Reform unserer Wohnungseinrich-
tungen beim Schlafzimmer am deutlichsten wahrnehmen.

Die Grundzüge, worin sich das moderne vom Rokoko-
Schlafzimmer unterscheidet, sind nun folgende. War die-
ses ein üppiges Schmuckkästchen, ebenso künstlerisch
in sich vollendet wie unvollkommen vom heutigen Stand-
punkt der Zweckmäßigkeit, so verkörpert das moderne
Schlafzimmer vor allem den Grundgedanken praktischer
Vollkommenheit. Als Raum, in dem der Mensch ein
Drittel seines Lebens zu seiner körperlichen Erholung
zubringt, muß es auch in seiner üppigsten Ausbildung zu-
gleich den strengsten Anforderungen der Gesundheit und
Bequemlichkeit entsprechen. Darum ist alles beseitigt
worden, was den Raum versperrt, Licht und Luft abhält
und Schmutz und Staub begünstigt; vor allem jeder über-
flüssige Aufwand mit Dekorationselementen, Licht und

1915. VII 3
 
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