Jahrbücher für Kunstwissenschaft (1.1868)

Die Dürer-Handschriften des Britischen Museums.
Durch eine Notiz im „Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit“,
Jahrg. 1859, S. 10 wurde — soviel ich weiss — zum ersten Male in
Deutschland darauf aufmerksam gemacht, dass in der Bibliothek des briti-
schen Museums vier Bände Handschriften von Dürer sich befinden. Die dort
mitgetheilten Facsimile-Abbildungen von zwei Zeichnungen: Fechterpaare
und einen Hausgrundriss darstellend, liessen voraussetzen, dass äusser den
als Inhalt angegebenen Handschriftbruchstücken der Proportionslehre noch
andere schriftliche Aufzeichnungen sich darin vorfinden würden, und ich
bedauerte, bei Abfassung der kleinen Schrift, in welcher ich versuchte,
Dürer’s theoretische Bestrebungen im Zusammenhänge darzustellen und mit
denen seiner italienischen Vorgänger zu vergleichen J), die Londoner Manu-
skripte nicht in Betracht ziehen zu können. Erst vor kurzem war es mir
möglich, dieselben zu lesen, und ich theile im Nachfolgenden die Ergebnisse
meiner Untersuchung mit.
Die vier Bände, in der Handschriften-Bibliothek des Britischen Mu-
seums unter „Add. Mspts. 5228 — 31. PLUT. CXI. A.“ rubricirt, entstammen,
wie der grosse Band Dürer’scher Handzeichnungen in der Kunstblätter-
Sammlung (Print-Room) des Britischen Museums 1 2) einer niederländischen
Sammlung, deren Besitzer wahrscheinlich die ihnen gemeinschaftlichen glei-
chen Ganzlederbände in Schwarz mit Titeln in Golddruck herstellen liess.
Der erste Manuskriptband ist gleich dem Handzeichnungsband mit
* M
TEEKENINGE
1637

1) Dürer’s Kunstlehre und sein Verhältniss zur Renaissance. Leipzig, R. Wei-
gel, 1866.
2) Vgl. Hausmann’s Beschreibung in Naumann-Weigel’s Archiv für die
zeichn. Künste, Jahrg. 1858.
Jahrbücher für Kunstwissenschaft I. 1