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Jahrbücher für Kunstwissenschaft — 1.1868

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Grimm, Herman: Ein Oelgemälde Michelangelo's
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https://doi.org/10.11588/diglit.51373#0070

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Ein Oelgemälde Michelangelo’s.
Ich hatte im vergangenen Jahre Gelegenheit, (Über Künstler u. Kunst-
werke. II, 77) über ein Gemälde zu berichten, welches von Ragusa zum
Verkauf nach Berlin geschickt worden war und das ich für eine Arbeit des
Marcello Venusti, ausgeführt nach einem für Vittoria Colonna gezeichneten
Blatte Michelangelo’s, erklärte.
Diese Tafel für ein Werk des grossen Meisters selbst zu nehmen, war
nicht möglich, da Vasari die Composition als solche erwähnt, ohne zu sagen,
dass Michelangelo sie in Farben ausgeführt. Zudem sind von ihm nur zwei
Staffeleigemälde, aus den allerersten Zeiten, bekannt. Das eine, die Ver-
suchung des heiligen Antonius, (in Paris oder Bologna ?) das andere, die heilige
Familie der Tribuna zu Florenz, ein Temperabild. Die drei Parzen im
Palaste Pitti werden Michelangelo nicht mehr zugeschrieben und mit Recht,
obgleich die Bezeichnung „Rosso“ eine willkührliche ist.
Nun kommt auf unerwartete Weise ein Document zu Tage, aus dem
hervorgeht, dass jene Ragusaner Tafel ein eigenhändiges Werk Michelangelo’s
sei, und dass der, der sie in Berlin (auch als Werk Marcello Venusti’s schon
ein guter Erwerb) gekauft hätte, die Freude erlebt haben würde, das einzige
nachweisbare Oelgemälde Michelangelo’s zu besitzen. Einstweilen darf die
Stadt Ragusa, wohin es zurückgegangen ist, diesen Stolz hegen.
Der Beweis aber ist folgender:
Graf Campori, dessen unermüdliche Thätigkeit für die Kunstgeschichte
Ferrara’s bekannt ist, hat im vorvergangenen Jahre einen Band „Lettere
artistiche inedite“, herausgegeben (Modena, Tipographia Soliani, 1866),
welcher, pag. 13 seqq., fünf Briefe der hohen Frau an Michelangelo enthält,
von denen ich den einen (Nr. XV) früher bereits veröffentlicht hatte, die
vier andern noch niemals gedruckt worden sind. Von diesen lautet der letzte
(Nr. XVI) folgendermassen:
Li effetti vostri eccitano a forza il giudizio di chi li guarda e per vederne
piü esperienza parlai di accrescer bontä alle cose perfette ; ed ho visto ehe
omnia possibilia sunt credenü. Jo ebbi grandissima fede in Dio ehe vi dessi
una grazia sopranaturale a far questo Cristo. Poi il viddi si mirabile ehe
 
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