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Jahrbücher für Kunstwissenschaft — 1.1868

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Reumont, Alfred von: Der Empfehlungsbrief für den jungen Raffael
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https://doi.org/10.11588/diglit.51373#0219

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Der Empfehlungsbrief für den jungen Raffael.

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gefunden hat, mögte ich wissen. Die Rumohr’sche Emendation ist ganz
plausibel, obschon grammatisch durchaus nicht nothwendig. Jemehr ich in-
dess den Text erwäge, umsomehr bin ich versucht zu glauben, dass Bottari
nichts geändert hat, sondern dass in dem ihm vorliegenden Schreiben stand,
was er gedruckt hat, nämlich dass Giovanni Santi noch am Leben war, was
damals Alle annahmen, was noch viele Jahre nach Pungileoni’s Entdeckung
des Todesjahres der gute Mezzanotte in seinem Leben Perugino’s pathe-
tisch wiedererzählte, indem er, wie Vermiglioli sich boshaft ausdrückt,
„Raffaels Eltern nach ihrem Tode reisen und weinen lässt“. Ich verschweige
nicht, dass es auch Gründe für die Aechtheit des Briefes giebt. Vorerst der
Umstand, dass Giovanna della Rovere damals wirklich in Urbino war, ob-
gleich von ihr am Hofe ihres Bruders so wenig die Rede ist, dass Castiglione
sie im Cortegiano nicht ein einziges mal nennt, während er doch von allen an-
wesenden bedeutenden Personen redet. (Giovanna’s Solin, Francesco Maria,
wurde eben am 19. September 1504 von seinem Ohm dem kinderlosen Her-
zog Guidubaldo adoptirt.) Sodann die Thatsache, dass Raffael sich im April
1508 durch seinen Oheim Ciarla (Passavant I. 529) von Francesco Maria
eine Empfehlung an Soderini erbittet. Endlich der dritte Umstand, dass Bot-
tari durch Rosso Antonio Martini aus der Gaddischen Sammlung andere
Schriftstücke erhielt, deren Authenticität zuverlässig ist. Ich wünsche dass
mein Zweifel an der Aechtheit des Briefes unbegründet sei, und werde Dem
dankbar sein, der mich eines besseren belehrt. Aber seit Rumohr, dessen
Bemühungen für Raffael man um einiger gewagten Hypothesen willen etwas
zu leicht zu schätzen geneigt ist, hat die Frage keinen Schritt vorwärts ge-
than. Ueberhaupt bleibt im Leben des Urbinaten noch manches zu erörtern,
auch nach E. Försters übrigens sehr lesbarem Buche, in welchem ich zu
meinem Bedauern im Detail viele Flüchtigkeiten und Versehen finde, die der
Verf. bei seiner umfassenden Kenntniss der Kunstgeschichte leicht hätte ver-
meiden können.
In Bezug auf Raffael und Francesco Maria della Rovere kann ich nicht
umhin zu bemerken, dass mir nicht bekannt ist, wer zuerst die Meinung auf-
gebracht hat, der schöne junge Mann in hellem Gewände mit langwallendem
Haar in der Schule von Athen stelle den Herzog von Urbino dar. (Vielleicht
Bellori.) Vasari nennt ihn nicht, während er des Bildnisses Federigo Gon-
zaga’s in diesem Fresco erwähnt. Dies würde nichts entscheiden, wie immer
es mit Vasari’s vielangefochtener Beschreibung stehn mag. Aber man kann
sich nichts unähnlicheres denken als diese Gesichtsbildung und Gestalt im
Vergleich mit dem Francesco Maria von Tizians Hand in der Gallerie der
Uffizien. Der befleutende Altersunterschied und die Betrachtung, was alles
der Neffe Julius’ II. durchgemacht zwischen der Zeit, wo Raffael malte, und
 
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