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Jahrbücher für Kunstwissenschaft — 1.1868

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Rahn, Johann Rudolf: Ein Besuch in Ravenna, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.51373#0334

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Ein Besuch in Ravenna. Von J. Rudolf Rahn. 321
die Päbste die Fürsorge für die noch erhaltenen Heiligthümer, allein es war
vergeblich. Nachdem schon Carl der Grosse den Palast in Ravenna seiner
Säulen und Mosaiken beraubt hatte um damit seinen Palast in Aachen zu
schmücken, und später Otto der Grosse seinem Beispiel gefolgt war, verwü-
steten die seeräuberischen Sarazenen die Küsten des adriatischen Meeres
und beraubten die Kirchen der Classis ihrer letzten Kostbarkeiten. In der
Folge verblieb Ravenna, mit einer kurzen Ausnahme venezianischer Herr-
schaft, bis 1859 den Päbsten und ist heute italienische Hauptstadt der
gleichnamigen Provinz.
Gegenwärtig zählt Ravenna ungefähr 19,100 Einwohner. Das äussere
Ansehen der Stadt entspricht keineswegs dem Glanze ihrer geschichtlichen
Vergangenheit; die Physiognomie Ravennas ist vielmehr diejenige einer
modernen Provinzialstadt. Die Strassen sind wohlgebaut, zwischen den
Häusern sind Gärten angelegt, wodurch die Ausdehnung bei weitem grösser
wird, als sich dicss nach der geringen Einwohnerzahl erwarten liesse. Nur
die zahlreichen schlanken Rundthürme verleihen der Stadt das Ansehen alt-
ehrwürdiger Orginalität und wer einmal von Aussen her die wohlerhaltenen
Basiliken betritt, der fühlt, dass auch die Jahrhunderte auf diesem klassischen
Boden nicht jegliche Spur einer grossartigen Vergangenheit zu tilgen ver-
mochten. Die fortwährenden Alluvionen haben den ehemaligen Boden bis zu
beträchtlicher Höhe übersandet ; das ursprüngliche Pavimento des Baptiste-
riums S. Giovanni in Fonte fand man erst in einer Tiefe von nahezu drei Metres
und die neuentdeckte Krypta des Domes steht Jahr aus Jahr ein bis zur
Höhe der Säulenkapitäle unter Wasser. Auf solchem Boden hat denn auch
die Stabilität der Monumente erheblich gelitten; die wenigsten unter den
ravennatischen Campaniles stehen senkrecht da, der mittelalterliche Thurm
des Palazzo Publico in erster Linie erscheint als ein unheimliches Gegen-
stück zu den schiefen Genossen von Bologna.
Wir schliessen hiermit ungern Bericht über Ravenna, die Frucht eines
glücklichen, leider nur zu kurzen Aufenthaltes in dieser Stadt. Mögen andere
recht bald durch eigene Studien an Ort und Stelle diese lückenhaften Schil-
derungen ergänzen!

Jahrbücher für Kunstwissenschaft. I.

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