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Jahrbücher für Kunstwissenschaft — 1.1868

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Waagen, Gustav Friedrich: Ueber in Spanien vorhandene Gemälde, Handzeichnungen und Miniaturen, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.51373#0336

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Von G. F. Waagen.

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rühmter Männer und Frauen, erkannt und dadurch den Bilderkreis desselben
bedeutend erweitert habe*). Da alle diese Miniaturen durch ihren hohen
Kunstwerth einen sehr tiefen Eindruck auf mich gemacht, so dass ich sie
sehr treu im Gedächtniss bewahrt habe, trat mir gleich beim ersten Anblick
dieser Malereien des Juan de Borgogna deren nahe Verwandtschaft zu jenen
Miniaturen auf das Schlagendste entgegen. Ich fand hier dieselbe Auf-
fassung, dasselbe Verhältniss zur italienischen und van Eyck’schen Schule.
Von ersterer hat sich der Meister die stylgemässe Anordnung, die grössere
und schönere Ausbildung des Nackten, den reinen Geschmack der Gewänder,
von der letzteren die grosse Individualität der Köpfe, die Ausbildung des Hell-
dunkels und der bald architektonischen, bald landschaftlichen Räumlichkeit
angeeignet. Wenn man nun aber auch dieses Verhältniss zu jenen Schulen,
als das den französischen Malern gemeinsame in jener Zeit ansehen könnte,
so weist doch entschieden auf Foucquet derselbe vorwaltend warmbräunliche
Fleischton und dieselbe Zusammenstellung der Farben in den Gewändern.
Höchst wahrscheinlich haben wir in diesem Juan de Borgogna, welcher diesen
Namen ebenso von seinem Vaterlande der Bourgogne trug, wie ein Juan de
Flandres, von Flandern, einen Schüler des Jehan Foucquet. Der Zeit nach
kann ein solches Verhältniss sehr wohl stattgehabt haben, denn Foucquet
hat bis gegen das Jahr 1480 gelebt**), und wenn wir die Geburt des Juan de
Borgogna etwa um 1460 ansetzen, so dürften wir gewiss darin der Wahrheit
ziemlich nahe kommen, denn, um im Auslande von einem Mann von der Stel-
lung des Cardinals Ximenez für einen solchen Ort einen so bedeutenden Auf-
trag zu erhalten, musste der Maler nothwendig schon zu einer grossen Be-
rühmtheit gelangt sein, wenn aber um 1460 geboren, so hatte er damals das
noch immer kräftige Alter von 48 Jahren. Wie aber dem auch sei, so liefern
wenigstens diese Malereien den vollständigsten Beweis, dass dieser Maler
sich durchaus nach dem Vorbilde des Foucquet gebildet und dessen Kunst-
weise der völlig ausgebildeten Renaissance so nahe geführt hat, wie dieses
für Italien etwa von Pielro Perugino und Francesco Francia geschehen ist.
Dem Foucquet in der Einsicht in die Gesetze der Composition gleich, ist er
demselben im Verständniss der Zeichnung des Nackten, in der Modellirung,
in der Reinheit des Geschmackes der Gewänder, von denen mehrere von

*) S. das Deutsche Kunstbl. Jahrg. 1851, Nr. 12, S. 92. Während man glauben
sollte, dass mir die Franzosen doch für diese Entdeckungen dankbar sein müssten
sind dieselben doch in der ganzen, jetzt sehr reichen Literatur über diesen Gegen-
stand niemals, auch nur mit einer Silbe, erwähnt worden.
**) Die bisherige Annahme, dass er bis 1485 gelebt habe, ist durch das Auffin-
den eines Documonts, vom Jahr 1481, worin von seiner Wittwe die Rede ist, wider-
legt worden. Vergl. diese Zeitschrift S. 88.

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