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Oechelhäuser, Adolf von; Kraus, Franz Xaver [Hrsg.]
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden (Band 4,2): Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Tauberbischofsheim (Kreis Mosbach) — Freiburg i.Br., 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.1372#0159

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I40 KREIS MOSBACH.

Am altertümlichsten wirkt das Portal (s. Fig. 42), mit dem sich bereits Nieder-
maier und Bauer (s. oben) beschäftigten, dem Dechantpfarrer G. Karch sogar eine
ganze Brochüre (s. oben) gewidmet hat. Unbegreiflicherweise ist allen Forschern bisher
entgangen, dass die Anlage nur bis zur Kämpferhöhe intakt, dass ausser dem abge-
stuften Gewände — drei Pfeiler wechseln mit drei Säulen — sammt Kapitell und Deck-
platte, nichts mehr in situ, insbesondere kein Stein des Bogens mehr am
ursprünglichen Orte d. h. an der richtigen Stelle ist. Beim Wiederaufbau
nach der Katastrophe im dreissigjährigen Kriege hat man die skulptirten Wölbsteine des
eingestürzten Portals in aller Eile wieder zusammengesetzt, das Fehlende ergänzt und die
sonstigen Reste der ursprünglichen Dekoration so gut es ging, aber durchweg ganz
beliebig, wieder angebracht. Daraus erklären sich die ungenaue, zackige Bogenform, das
Unzusammenhängende des Archivoltenschmuckes, das schlechte Aneinanderpassen der
Profilsteine und die willkürliche Anbringung einiger figürlichen Fragmente an der Front
darüber. Auch von dem das Ganze krönenden Spitzbogenfriese sind nur zwei Bogen
in der Mitte noch ursprünglich, die andern aufs Roheste nachgeahmt. Trotz aller dieser
Verstümmelungen wirkt die Portalanlage sehr malerisch und stattlich. Im Gegensatz zum
oberen, gothisirenden Spitzbogenfries erscheinen die an der Stirnseite des Halbrunds herum-
laufenden Skulpturen sehr alterthümlich und eher der Frühzeit des romanischen Stiles,
als der Uebergangsperiode angehörig. Die Schuld hieran trägt einestheils die Sprödig-
keit des Materials, anderntheils das Ungeschick des Steinmetzen. Auch an den jetzt
beliebig an der Front eingemauerten figürlichen Resten, die auf eine ursprünglich weit
reichere Ausschmückung des Portalüberbaues schliessen lassen, erweist sich derselbe als
ein sehr mittelmässiger Künstler.

Der Versuch einer Deutung der Reliefs an der Stirnseite erscheint somit aussichtslos;
man hat unwillkürlich, wie bei vielen ähnlichen mittelalterlichen Werken, das Gefühl,
als ob es sich mehr um Geheimnissthuerei und unschuldige Spielereien, als um tiefsinnige,
symbolische und philosophische Probleme handelt; wenigstens erscheinen die Karch'schen
Erklärungen, trotz aller aufgewandten Spitzfindigkeit, Mühe und Belesenheit, im höchsten
Grade geschraubt und gezwungen, entbehren sogar stellenweise nicht einer unfreiwilligen
Komik; so z. B., wenn Karch (auf Seite 11 und 14) den bei der Wiederherstellung des Bogens
dem Scheitel zunächst eingeflickten und natürlich unverziert gebliebenen Bogenstein, als
späteren Zusatz nicht erkennt, sondern in tiefsinniger Weise als eine Darstellung des
schwarzen Tages, des dies nefastus, oder »der Finsterniss im Geiste« erklärt. Erschwert
wird die Deutung noch erheblich durch den Umstand, dass einzelne Stücke arg verstümmelt
sind, so besonders die meisten der kleinen, unten in der Schräge des Bogens angebrachten
und mit den grösseren Bildern einst zusammenhängenden, ebenfalls theils linearen, theils
figürlichen Darstellungen. Die Formengebung der Kapitelle stimmt mit der der Konsolen
im Chor vollkommen überein.

Die Beleuchtung des Innern geschieht jetzt im Oktogon durch ein modernes rund-
bogiges und ein diesem gegenüber, gelegentlich des Wiederaufbaues angebrachtes, flach-
bogiges Fenster, während der Chor in der Hauptsache noch durch die drei alten romanischen
Rundbogenöffnungen sein reichliches Licht erhält; nur eine kleine, viereckige Oeffnung ist
hinzugefügt worden. Eigenthümlich und unverständlich ist dort die Unterbrechung des
Bogenfrieses an dem höher als die beiden anderen hinaufgeführten Mittelfenster. Der
Deckquader, in den der rundbogige Abschluss des Fensters eingearbeitet ist, reicht nämlich
 
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