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Oechelhäuser, Adolf von; Kraus, Franz Xaver [Hrsg.]
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden (Band 4,2): Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Tauberbischofsheim (Kreis Mosbach) — Freiburg i.Br., 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.1372#0254

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AMT TAUBERBISCHOFSHEIM. — WÖLCHINGEN. 22»

Die Kirche. Kirche

Ueber den Ursprung der auf der Nordseite des lieblichen Schüpfergrundes ober-
halb des Ortes gelegenen romanischen Pfarrkirche ist nichts Sicheres bekannt. Bauer
hält es für unwahrscheinlich, dass die Johanniter die Kirche erbaut haben, da diese
erst i. J. 1249 eine Kommende in Wölchingen besessen hätten und die Bauformen auf
eine frühere Entstehungszeit hinwiesen. Seiner Ansicht nach könnten dagegen »die
angesehnen Herrn von Boxberg« recht wohl die Gründer dieses Baues gewesen sein.
Hiergegen spricht zunächst, dass die Boxberger weder droben in ihrer Residenz, noch
in dem am Fusse derselben gelegenen Wanshofen ähnliche kostbare Bauten aufgeführt
haben. Ausserdem besassen die Johanniter schon früher, nämlich seit dem Jahr 1192,
in der Nähe bei Boxberg und Schweigern grosse Güter, urkundlich sicher nachweisbar
einen Hof in Wölchingen freilich erst 1239. Immerhin liegt es viel näher, den reichen
bau- und kunstverständigen Ordensleuten die Errichtung dieses als Wahrzeichen ihrer
Macht weithin sichtbaren, den Schüpfergrund gewissermassen beherrschenden Gottes-
hauses zuzuschreiben, als den kleinen Dynasten von Boxberg. Der zum Jahr 1249 er-
wähnte fraterConradus sacerdos in Wölchingen ist jedenfalls auch vom Orden
eingesetzt gewesen, die Pfarrei wird also ein oder zwei Menschenalter vorher vom Orden
gegründet worden sein. Im Liber Synodalis Wirceburgenis werden zum Jahr 1452
Pfarrei (Kapitel Mergentheim), Frühmesse B. M. V. und Vikarie S. Johannis in AVölchingen
genannt. Unter dem Patronat der von Rosenberg im XVI. Jh. wurde i. J. 1558 auch
hier die Reformation eingeführt und durch den westfälischen Frieden bestätigt. Jetzt
evangel. Pfarrkirche für Boxberg und Wölchingen.

Die Bauakten des Grossh. General-Landesarchivs über unser Gotteshaus beginnen
mit dem Jahr 1663, enthalten aber im Wesentlichen nur für die Baugeschichte belanglose
Nachrichten über Reparaturen des durch die vorausgehenden Kriegsjahre offenbar arg
beschädigten ehrwürdigen Bauwerks. Ueber den Zustand, in dem es sich zur Zeit befand,
als die jüngste Instandsetzung von Seiten der evangelischen Baubehörde in Angriff
genommen wurde, berichtet der bauleitende Beamte Baurath Behaghel in Heidelberg
brieflich Folgendes:

»Der damalige Bestand war zu einer planmässig zeichnerischen Festhaltung nicht
geeignet, da er ein keineswegs erfreuliches Bild bot und überdies die Urgestalt des
Gebäudes durch ein Konglomerat primitivster baulicher Provisorien dem Auge fast
entzogen war. Diese allerdings Jahrhunderte überdauernden Provisorien bestanden in
Aufbauten über dem nur noch fragmentarisch vorhandenen Hauptgesimse, welche
ihrer ganzen Beschaffenheit nach wahrscheinlich seit der Zerstörung während des
Bauernkrieges zu Vertheidigungszwecken gedient hatten und in ihren Einzelheiten aus
Bruchstücken des früheren Thurmes und der Giebelaufbauten sich zusammensetzten oder
gar in Lehmfachwerk hergestellt waren. Der alte Dachstuhl war aus dünnen, nicht einmal
kantig beschlagenen Stämmen aufs Dürftigste zusammengezimmert und in den letzten
Jahrhunderten jedenfalls vielfach geflickt worden. Die kaum in das vorige Jahrhundert
zurückdatirenden Glocken hatte man auf der Südseite des Speicherraumes in einem
gewöhnlichen eichenen Bockgestell als Glockenstuhl aufgehängt.

Im Innern der Kirche sah es geradezu trostlos aus; denn es war mit bunt
marmorirten, regellos eingesetzten Emporen von Holz, auf welche zahlreiche Treppchen
führten, gänzlich verbaut und derart mit Farbe und bäuerlich rohen Malereien aus dem

IS«
 
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