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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Ostini, Fritz von: Die Franzosen im Münchener Glaspalast 1901
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0042

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~*-£Ö> DIE FRANZOSEN IM MÜNCHENER GLASPALAST 1901

so Le Sidaner's in ihrer Art hochvollendeten sonate" (s. S. 42) ein Liebespaar in weltver-
zwei Bilder eines „kleinen Platzes" in verschie- gessenem Umschlingen mit so viel heisser
denen Stimmungen. Einen Glanzpunkt des und herber Leidenschaft dar, wie sie unserer
Franzosensaales bildet die (a. S. 29 reprodu- deutschen Genremalerei nur selten zu Gebote
zierte) „Prozession" von Lucien Simon, mit steht. Er hat auch keine Familienblattnovelle
vielen energisch geschnittenen Charakter- gemalt, sondern ein Drama von packender
köpfen von bretonischen Fischern und Bauern, Wucht. Viel novellist scher und empfind-
Gesichtern, aus deren derben Zügen merk- samer ist Louis Ridel's „Abschied" mit den
würdig tiefe Andacht spricht. Jeder dieser zwei lebensgrossen Frauengestalten. Der
Köpfe ist aber auch mit künstlerischer An- Farbe und dem Vortrag nach möchte man
dacht erfasst und durchgebildet und dabei das Bild eher für das Werk eines Engländers
doch stark und schnittig gemalt. Von gleicher halten als für das eines Franzosen. A. E. Dinet
Hand stammt ein kleineres vorzügliches Stil- liefert mit der Darstellung seines schwärz-
leben und ein Atelierinterieur, das in seiner liehen Liebespaares „Arabisches Märchen"
saftigen Farbengebung fast ein wenig an Sie- (s. S. 34) eine gute malerische Arbeit; die
vogt erinnert. Das Bild ist aus dem Haupt- Enthauptung Johannes des Täufers von Puvis
saal in eine verschwiegene Ecke des kleineren de Chavannes (s. S. 43) hat wenigstens starkes
Raumes für französische Bilder verbannt geschichtliches Interesse, wenn einem auch
worden, vermutlich wegen des nackten Modell- die unbeschreibliche Teilnahmslosigkeit der
chens, das im Vordergrunde sitzt. Rene wartenden Salome ein wenig seltsam vor-
Xavier Prinet stellt in seiner „Kreutzer- kommen mag. Verblüffend geschickte Technik
zeigt Gaston la Touche in seinen
Aquarellen, der Schilderung des
Publikums „Im Theater", einer
Weltdame „Nach dem Balle" und
dem (a. S. 44 gegebenen) Bilde des
„Gekreuzigten". Er weiss unbe-
stimmte, geheimnisvolle Beleuch-
tung überraschend wahr wiederzu-
geben, die Figuren wirken zu lassen
wie die Vision eines Augenblicks.
Diese pikante und virtuose Mache
passt allerdings besser zu jenen
Schilderungen aus der grossen Welt,
als zur Darstellung des Gekreuzig-
ten, aber auch dieses Bild macht
einen magischen, starken Eindruck.
Ein paar drollige Grotesken haben
Jean Veber zum Autor, einen
Künstler, den wir bisher nur aus
dem „Rire" und andern Witz-
blättern kannten. Wie jetzt auch
bei uns so mancher Zeichner, ent-
puppt er sich da als trefflicher
Maler und, was das beste ist, seinen
Humor hat er dabei nicht ver-
gessen. Von höchster Drolerie ist
auf seinem (nebenstehend abgebil-
deten) „Raub der Europa" der ver-
gnügte Stier mit der schiefaufge-
setzten Krone und nicht minder
komisch „Madame l'Oie" (s. S. 39),
eine haushohe, mit Bändern und
Orden behängte Gans, die feierlich
durch die Stadt geleitet wird, vom
lieben Publikum mit Staunen und
Ehrfurcht begrüsst. Die Bildchen
ernest Laurent bildnis sind überaus farbig und nichts


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