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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Oettingen, Wolfgang von: Die Pflege der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0047

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-b-5^> DIE PFLEGE DER KUNST <ö*=s~

um uns an ihm zu ergötzen, mit ihm uns zu
beschäftigen und unsere Nebenmenschen, wenn
es möglich ist, mit ihm zu erfreuen.
Dagegen geht die Kunst, die gewerbsmässig
ausgeübt wird, ohne Zweifel nach Brot: der
zünftige Künstler, dessen Lebensarbeit in der
Erzeugung von Kunstwerken besteht, bedarf
durchaus nicht nur der Anerkennung, sondern
auch des Erwerbes. Er bedarf eines Publikums,
an das er seine Werke absetzt; meist wird sich
aber das Verhältnis so gestalten, dass er für
ein Publikum, d. h. im Sinne und im Auftrag
desselben, arbeitet; und wenn dieses Publikum
ihn mit Ueberlegung beschäftigt, so könnte
wohl von einer Pflege der Kunst die Rede sein.
Aber auch dann nur unter besonderen Vor-
aussetzungen. Jemanden pflegen, heisst einen
der Erhaltung und Unterstützung Bedürftigen
vor dem Niedergang schützen und zu Kräften
bringen. Dazu gehört, dass der Pfleger den
Zustand des Pfleglings kennt und überschaut,
und dass er die Mittel, ihm zu helfen, zweck-
mässig und mit hingebender Sorgfalt anwendet.
Nur ein solches Publikum also darf auf den
Ehrentitel eines Kunstpflegers Anspruch er-
heben, das der Kunst und den Künstlern gegen-
über einen freien, die banausischen Rücksichten
überragenden Standpunkt einnimmt und diese
Erleuchtung dazu benutzt, mit höchstem Takt
und vollkommener Diskretion dem den Laien
im Erfinden und Schaffen seinerseits über-
ragenden Künstlergenius die gesunde Freiheit
zu gewährleisten. Es fragt sich, wo unter
unserer Sonne ein so geartetes Publikum zu
finden ist. Wahrscheinlich in einzelnen Exem-
plaren überall und Ganzes nirgends.
Wir verstehen in diesem Zusammenhange
unter Publikum die Summe der Menschen,
die bewusst ein Verhältnis zu der Kunst unter-
halten, die also Kunstwerke, bestellte oder
nicht bestellte, für sich oder für andere er-
werben, oder auch nur, im Geniessen der
Kunst Gedanken und Urteile erzeugend und
äussernd, als eine kaum wägbare Masse einen
immerhin bemerkbaren Einfluss auf den öffent-
lichen Geschmack und auf die Richtung der
Kunstentwickelung ausüben. Das Publikum
setzt sich also zusammen aus den Elementen,
die dem Künstler durch den Eintausch seiner
Werke gegen Werte den Lebensunterhalt ver-
schaffen, und aus solchen, die ihn durch ab-
strakte Anerkennung oderWiderspruch hemmen
und fördern.
Wer sind nun die Käufer der Kunstwerke?
Fassen wir den Begriff ganz flach und weit,
so gehören zu ihnen zunächst die unzählbaren
Scharen derer, die das Bedürfnis nach An-
regung der Phantasie und nach feinsinnlicher

Ergötzung von Auge und Ohr durch den An-
kauf mehr oder weniger billiger Kunstware,
durch Bezahlung des Eintrittsgeldes in Theater
und Konzerte, durch den Erwerb von Dichter-
werken befriedigen. Sie sind die Konsumenten
und also die Förderer eines Kunstwesens aus
zweiter Hand. Da Originale, wie ein eigens
für einen einzelnen gezeichnetes Muster am
Gerät oder Gewand, eine Statue von der Hand
ihres Erfinders, ein Oelgemälde, eine theatra-
lische Specialschöpfung, eine auf Wunsch kom-
ponierte Symphonie, ihnen unerreichbar sind,
so geniessen sie für ihr Geld die Verviel-
fältigungen solcher Werke; sie begnügen sich


AGATHON LEONARD TÄNZERIN
(Mänchener Glaspalast 1901 : Französische Abteilung)

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