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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Pica, Vittorio: Paul Troubetzkoy
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-a-*Ö> PAUL TROUBETZKOY <^*~

Italiens keinen einzigen geistigen Ahnherrn.
Darf man sie auf einen zurückführen, so ist es
der Maler Tranquillo Cremona, von dem Trou-
betzkoy es gelernt hat, die Umrisse seiner Ge-
stalten minder scharf zu begrenzen und da-
durch seinen Schöpfungen die bebende Beweg-
lichkeit des Lebens zu verleihen.
Obgleich von russischem Stamm, da er der
Sohn eines moskowitischen Edelmannes und
einer geistvollen und liebenswürdigen Ameri-
kanerin ist, kann Paul Troubetzkoy doch den
Italienern zugerechnet werden, denn er ist
in Italien geboren und erzogen und hat fast
sein ganzes Leben in der Lombardei ver-
bracht. Nach hartem Kampf mit seinem Vater,
der ihn für den Soldatenstand bestimmt hatte,
trotzdem seine künstlerische Begabung sich
sehr früh offenbarte, trat Paul Troubetzkoy
1884 als Achtzehnjähriger bei Ernesto
Bazzaro in Mailand als Schüler ein; aber er
fand bald heraus, dass für ihn eine schul-
gemässe Anleitung nichts tauge und dass
seine innerste Natur ihn zwänge, die Dinge
mit ganz anderen Augen zu betrachten, und
so verlies er nach einem Monat seinen Lehrer
und begann nach der Natur zu studieren.
Von der ersten Arbeit angefangen, die er
ausstellte, die wegen der Verachtung der
akademischen Ueberlieferungen lebhaften Un-


PAUL TROUBETZKOY fec.

willen hervorrief und doch eine seltsame
Anziehung ausübte, bewies Troubetzkoy, dem
alles unentschlossene Tasten sonstiger An-
fänger fremd war, eine klare, zielbewusste
Sicherheit bezüglich dessen, was er ausdrücken
wollte: die bestimmte künstlerische Absicht, in
Marmor, oder noch lieber in Bronze, das Male-
rische der modernen Kleidung zur Geltung zu
bringen, und zeigte sich im Vollbesitz der tech-
nischen Mittel, um seiner persönlichen Kunst-
anschauung greifbare Gestalt zu verleihen.
Eine heitere und ausgeglichene Natur
schritt er stetig weiter auf dem Wege, den er,
von Anbeginn an einem mächtigen inneren
Triebe folgend, betreten, unbeirrt durch den
Widerstand und die Feindseligkeiten, denen
er im Anfange begegnete, unbeirrt auch durch
die rauschenden Erfolge, die sich später ein-
stellten. Ein unermüdlicher Arbeiter, der
mit neidenswerter Leichtigkeit schafft, hat er
im Laufe weniger Jahre eine grosse Reihe
von Werken hervorgebracht, die bei aller
Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit der Kon-
zeption doch alle die gleiche Kunstvollendung
und die gleiche persönliche Eigenart aufweisen.
Paul Troubetzkoy, der in erster Linie als
ein glänzender Darsteller der Tiere und
eingehender Kenner der menschlichen Phy-
siognomie gilt, machte sich von vornherein
zur Aufgabe, ganz neue Wege zu suchen und
nicht nur den Ausdruck des menschlichen
Antlitzes ungewöhnlich sprechend wiederzu-
geben, sondern auch in den Bewegungen des
Körpers den Eindruck des Lebens so viel als
möglich hervorzurufen. Erschöpfte nicht nur
all seine Vorwürfe aus dem uns täglich um-
strömenden Treiben, versuchte nicht nur dem
geistigen und seelischen Gepräge des modernen
Menschen Gestalt zu geben, sondern schuf
sich auch ganz neue und persönliche Aus-
drucksmittel: jene eigenartige, auf den ersten
Blick befremdende Technik, die aber, wie
man nach tieferem Eingehen bekennen muss,
bewirkt, dass seine Figuren sich unter den
Blicken des Beschauers gleichsam zu beleben,
zu atmen scheinen. Indem er den noch
weichen Thon mit Stäbchenschlägen über-
geht — deren Eindrücke dann in hartem
Gefüge der Bronze wiederkehren — und,
eine Unebenheit an die andere setzend, eine
rauhe und rissige Oberfläche erzeugt, wie sie
dem rohen, unbearbeiteten Marmor eigen ist,
bildet er Erhöhungen, die sich seltsam von
andern, mit besonderer Sorgfalt geschliffenen
Stellen abheben und bringt dadurch jene Licht-
und Schattenwirkungen hervor, die soviel dazu
beitragen, beim Beschauer die Vorstellung des
Wirklichen hervorzurufen.

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