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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Schubring, Paul: Hans von Marées' Fresken in Neapel
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0184

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-a-S^> HANS VON MAREES' FRESKEN IN NEAPEL <Ss^~

verneint werden muss. Ich will nicht von jenem Grosse, dass er die Forderung nie niedriger
Berliner Kritiker reden, der Marees mit dem schraubte, dass er nie einen Kompromiss ein-
zierlichen Adjektiv „schrullenhaft" abthun zu ging. Schon mit siebenundzwanzig Jahren
können glaubte; ganz ernsthaft zu nehmende der rheinischen Heimat und dem Münchener
Männer, Künstler und Laien, wussten absolut Kunsttreiben entrückt, nahm er an den aktu-
nichts mit den Bildern anzufangen. Verwunder- eilen Fragen des modernen Kunstlebens nie An-
lich ist das ja nicht; es gehört viel guter Wille, teil. So wenig er seine Bilder auf Ausstel-
viel Wärme dazu, um über alle die „tironischen lungen schickte, sowenig besuchte er diese.
Noten" wegzusehen. Wer verpflichtet das Publi- In Rom fand er bald genug Gegner, die den
kum nicht nur das zu beurteilen, was es vorsieh jungen Aristokraten wegen seines Selbstbe-
sieht, sondern zugleich die geistige Qual sich wusstseins verhöhnten; daneben aber auch enge
zu vergegenwärtigen, aus der die Werke hervor- Freunde und begeisterte Schüler, unter denen
gingen? Lohnt es, den wehmütigen Selbst- ich nur Adolf Hildebrand, Karl von Pidoll und
verdammungsprozess sich klar zu machen, Arthur Volkmann zu nennen brauche. Im Bunde
den Marees immer wieder über sich verhängte, mit diesen Genossen arbeitete er, um seine
um einiger grosser Züge willen, die ihm tiefe Einsicht in die wahrhaft künstlerische
glückten? Ich antworte darauf: es lohnt sich. Welt im schöpferischen Sinne zu verwerten.
Wie schwer Marees mit sich selbst gerungen Sein Hauptsatz war immer wieder der: „Wir
hat, wissen wir ja. Aber das ist eben das müssen zur einfach-natürlichen Gesinnung zu-
rückkehren." Das Unwesentliche ab-
stossen, das Wesentliche hervorheben;
den Zufall der Erscheinung in der
gesetzmässigen Notwendigkeit und
Schönheit begreifen, die Einzelfälle
der Natur im gereinigten Gebilde ver-
dichten und deuten, das waren die
Forderungen, denen er immer wieder
nachging. Als er starb, hoffte er nahe
am Ziel zu sein; ein gütiges Geschick
nahm ihn weg, ehe die ganze Ent-
täuschung hereinbrach. Und dass
diese hätte kommen müssen, glaubte
sogar Fiedler.
Wölfflin hat die künstlerische
Sonderart Marees', namentlich sein
plastisches Empfinden, so klar um-
schrieben, dass ich lieber auf diesen
oben bereits erwähnten Aufsatz (Zeit-
schrift f. bild. Kunst N. F. III., S. 73 ff.)
verweise, statt dasselbe schlechter zu
wiederholen. Nur eine Seite bei Marees
möchte ich hervorheben, die mich,
gerade bei der Berliner Ausstellung,
wieder ganz neu gepackt hatte. Es ist
sein Raumempfinden. Auf diesem
Punkte arbeitet er mit einem Ernst,
der die ganze Energie seiner Selbstkon-
trolle erkennen lässt. Derheilige Georg
in der Nationalgalerie ist in der Er-
regung über solche Raumgedanken ge-
schaffen. Mit kraftvoller Deutlichkeit
ist der Mittelpunkt durch den mit der
ganzen Kraft zustossenden Ritter be-
zeichnet. Das von rechts herange-
sprengte Ross stemmt sich gegen den
Stoss zurück, wodurch eine Gegen-
hansvon marees sanct martinus Wirkung erfolgt, zugleich gegen die
Das Original in der legi. Galerie :u Schieissheim Richtungslinie der eben durchrittenen


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