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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Lange, Konrad von: Die Freiheit der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0213

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-a-i^> DIE FREIHEIT DER KUNST <Ö£A=^-

Wissenschaft, die Gesetze zu ermitteln, nach allen Menschen angeborne Bedürfnis, Neues
denen das künstlerische Schaffen und die Ent- zu schaffen, wobei er immer wieder aus den
wicklung der Kunst vor sich geht. Die „Quellen der grossen Mutter Natur" schöpft,
Aesthetik hat das früher wohl oft versucht, die auch der Kaiser mit Recht als wichtigstes
ist aber stets damit gescheitert. So hat man Vorbild der Kunst nennt. Und nicht die-
sich jetzt endlich entschlossen, die Gesetze jenige Kunst ist Handwerk und Fabrikarbeit,
der Kunst einfach aus den Thatsachen des die in dieser Richtung, wenn auch vielleicht
Kunstschaffens abzuleiten und selbst da be- tastend und in unvollkommenen Formen, neue
stehen noch in vielen Punkten wesentliche Wege sucht, sondern diejenige, welche die
Zweifel. Darüber aber sind wohl alle Aesthe- einmal gefundenen Formen, z. B. den Typus
tiker einig, dass es nicht angeht, bestimmte des Fürstendenkmals, gedankenlos und mecha-
Richtungen, wie etwa die Antike als ein für nisch rekapituliert.
allemal vorbildlich hinzustellen, zu fordern, Auf die Entwicklung der deutschen Kunst
dass die Formen, die in einer bestimmten werden die Worte des Kaisers keinen Einfluss
Zeit für schön gehalten wurden, nun auch für haben. Ebensowenig wie die klassische deut-
alle Zukunft massgebend sein sollen. Gewiss sehe Poesie in ihrer Entwicklung dadurch auf-
hat in der Kunst wie in allen menschlichen gehalten worden ist, dass Friedrich der Grosse
Dingen die Tradition ihre Bedeutung. Aber nichts von ihr wissen wollte, sondern die
die Möglichkeit einer lebendigen Weiterem- französische Poesie bevorzugte, ebensowenig
wicklung beruht darauf, dass es in jeder wird die bildende Kunst in Deutschland da-
Generation Künstler giebt, die über die Tradi- durch in ihrer Entwicklung aufgehalten werden,
tion hinausgehen. Und das „Körnchen" von dass der Kaiser ihr von seinem Standpunkt
Neuem und Eigenem, was jeder Künstler, aus ein „Bis hierher und nicht weiter" zuruft,
auch nach dem Zugeständnis des Kaisers, zu Die Kunstentwicklung wird eben nicht von
dem Alten, Ueberkommenen hinzuthun darf, Einzelnen bestimmt, seien es Kaiser oder
das lässt sich in seiner Grösse nicht regle- Päpste, Künstler oder Aesthetiker, sondern
mentmässig bestimmen. Denn je bedeutender sie erfolgt auf Grund der ewig gültigen Ge-
ein Künstler ist, um so stärker hat er das setze der Natur und des menschlichen Geistes.


RICHARD MÜLLER del.

198
 
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