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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Hann, Pauline: 77. Jahresausstellung der Academy of Design in New York
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0304

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«^-feö> NEW YORKER BRIEF -CSs^

aus seiner Umgebung hervor. >Am Piano* zeigt
in einem von Dämmerung erfüllten Räume eine
musizierende Frau in braunem Sammtkleide. Im
Hintergrunde horcht in Gedanken versunken ein
Mann. Die einheitliche, intime Stimmung, die
meisterhafte Behandlung der gedämpften grauen
und braunen Farbentöne lassen es als das Bild
der Ausstellung erscheinen. Aber es wurde mit
keinem der Preise ausgezeichnet. Mir will scheinen,
als wären sie diesmal mehr dem Ansehen der
Personen als dem der Ausstellungsobjekte nach
verteilt worden. Der lieiss umstrittene Clarkepreis,
der so manchem Künstler zu Ansehen verholfen
hat — erhob er doch zum Beispiele vor zwei Jahren
den bis dahin so gut wie unbekannten Karl Schrey-
vogel mit einem Schlage in die Reihe der gesuchten,
Aufträge erhaltenden Maler — wird heuer keine
solche Wirkung erzielen; im Gegenteile, er lenkte


orrin peck damenbild n is

diesmal die Aufmerksamkeit auf das, hoffentlich
nur zeitweilige Versagen einer bewährten und an-
erkannten Kraft: Eliott Daingerfield. Dieser
Künstler hatte es in unseren ungläubigen Tagen
und im nüchternen Amerika fertig gebracht, einige
wirklich verdienstvolle Madonnenbilder zu malen.
Diesmal stellte er die »Geschichte der Madonna;
aus; eine Frau in einem losen Kimono sitzt mit
einem Kinde auf dem Schosse im Freien, vor ihr
auf dem Boden kauert ein Mädchen mit einem
aufgeschlagenen Buche, das ein Madonnenbild zeigt.
Ein kleines Kind und ein Mann im Hintergrunde
vervollständigen die Personen einer modernen
heiligen Familie. Aber um sie herum wachsen
unmöglich langstielige Blümelein in der Art der
Präraffaeliten, die Landschaft scheint dem Quattro-
cento »nachgefühlt*, das Kolorit ist stumpf, und
aus der Verquickung erkünstelt altertümlicher,
naiver und modern reflektierender Motive entsteht
— die Karikatur einer heiligen Familie«.
Die übrigen Preise erhielten E. Irving Couse
für eines der drei von ihm ausgestellten Indianer-
bilder, »Die Friedenspfeife- benannt, welches eine
tüchtige realistische Behandlung des vom offenen
Holzfeuer ausstrahlenden Lichtes zeigt, Louis Loeb
für Die Mutter-, welche eher als die Daingerfields
Anspruch erheben könnte, eine moderne Madonna
darzustellen, und W. H. Foote für eine geschickte
Studie in blauen und violetten Farbentönen.
Ein Neuling, Rachmiel, stellt ausser dem vorher
erwähnten Porträt einen Hausierer aus, der auf tief
verschneitem Landwege rüstig ausschreitet, während
die Dächer eines Dorfes über braunen Hecken auf-
tauchen, ein prächtiges Bildchen voll kecken Zu-
greifens. Von Schreyvogel ist eine seiner bewegten
Grenzerscenen da, »Verstärkung holend-, Soldaten
auf wild galoppierenden Mustangs und im Hinter-
grunde, halb vom Staub verhüllt, ein Handgemenge
ihrer Gefährten mit einer Indianerbande. Er versteht
das graugelbe Licht und die dürren Sandflächen
Arizonas vortrefflich zu behandeln, ebenso die Ver-
kürzungen der unschönen, aber temperamentvollen
Rosse. Eine brillante Lichtstudie ist Ch i lde Hassam's
»Penelopec. Hoch über die Gesichtslinie wurden
einige anmutige Kinderbilder von Robert Kluth;
in die schlecht beleuchteten Mittelsäle die Neger-
genres von Roseland verbannt. »Gamins« von
Harrison, einem neu erwählten Akademiker, zeigt
wilde nackte Jungen, die sich im Wasser und am
Strande vergnügen. Unter den, wie gewöhnlich
sparsam vertretenen Skulpturen ragen eine weib-
liche Porträtbüste des immer vornehmen und sym-
pathischen Daniel Chester French, eine diskrete
und anmutige Allegorie des Frühlings von Isidore
Konti, einem hochbegabten Schüler Kundtmanns
in Wien, und einige Indianergruppen von Proctor
hervor. Ein grosses Modell zu einem Jefferson-
Monument von Ezekiel zeigt all die konventionellen
Frauenzimmer mit zerbrochenen Ketten, verbundenen
Augen und Wagschalen etc., die einem lange leiden-
den Sohne unserer Zeit nachgerade zum Ueberdruss
geworden sind.
P. Hann

ZUKUNFTSKUNST
Den Tiichfgen könnt ihr nicht bethören,
Dass er mit euch der Zukunft harrt,
Sie mag euch Schwärmern gern gehören,
Bleibt uns nur stets die — Gegenwart!
Max Bewer

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