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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Ostini, Fritz von: Niclaus Gysis: (geboren 1. März 1842, gestorben 4. Januar 1901)
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0319

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NICOLAUS GYSIS DAS ENTHÜLLTE GEHEIMNIS
(Photographieverlag der Photographischen Union in München)

„DieWallfahrt" (s.S.309), das auch den in tief-
stem Innern ergreifen mag, der sich sonst durch
gemalte Tragik nicht leicht rühren lässt. Der
Maler ist selber mit ganzer Seele am Werk ge-
wesen, heisses, heiliges Mitleid, unsägliche
Traurigkeit spricht aus allem, aus der Gruppe
der Mutter mit dem bleichen Mädchen, das mit
krankem Herzen zusammengesunken ist, dem
Wallfahrtsorte nah, der ihr Hilfe bringen
sollte; unsägliche Traurigkeit spricht aus der
blaudunklen nächtigen Landschaft mit dem
gespensterhaft von hohem Felsen nieder-
winkenden Gnadenkirchlein. Gysis, der sich
in der Vollendung einer Arbeit überhaupt
nie genug thun konnte, hat seinen Stoff hier
in einer Weise seelisch durchdrungen, wie
wir dies vielleicht nur von den ersten, seelen-
verwandten Schöpfungen Gabriel Max' sagen
können und vielleicht hat der Grieche auch
im Vergleich mit diesem noch das grössere
Mass von Vertiefung und Innigkeit aufgewandt.
Im Jahre 1882 erhielt unser Künstler als
Nachfolger Benczurs eine Professur an der
Münchener Kunsthochschule und zwar zu-
nächst als Leiter einer Naturklasse in der

originellen Filiale der Akademie, aussen auf
dem Maffeianger beim Bahnhof. Immer mehr
Verständnis fand seine Kunst und immer feiner
und anmutreicher wurde sie. Als er freilich
1888 mit seiner,, Frühlingssymphonie "(s.S. 311)
herauskam, diesem Brillantfeuerwerk von Licht
und klaren, prismatisch reinen Farben, hat er
manchen verwundert und reichen Widerspruch
geerntet. Die fast überätherische Grazie dieser
Gestalten wurde maniriert gefunden und nicht
minder die überraschende Zartheit der Töne —
es war ja damals die Zeit des konsequenten
Realismus, der Armeleutmalerei, der Spitäler
und Holzpantinen, des „wildesten Pleinair"!
Jedenfalls bedeutet das Bild einen Markstein
in Gysis' Wesen, er blieb fortan der Lyriker
unter den Münchener Meistern. Seine „Kunst
und ihre Genien" (s. S. 310), die „Gloria auf
Psara" (s. S. 306), „Die Freude mit Kindern
spielend", „Tanzstunde" (s.S.308) sind Werke
desselben Geistes, und Werke desselben
Geistes, der immer reiner und freier wurde,
sind auch die prächtigen Plakat- und Diplom-
zeichnungen, die unter des Malers Hand jetzt
entstanden. Für die dritte „Grosse Internatio-

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