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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Von Ausstellungen und Sammlungen - Denkmäler - Kunstlitteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0361

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-sr-5^> VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN <^S=^

malt, und ganz köstlich stehen einige rote Rispen des
Grases gegen das Weiss und Grau der Toilette, aber
das sich merkwürdig nach oben verschiebende Terrain
und die durcheinander schlagenden Zweige der Bäume
geben dem oberen Teil des Bildes eine störende
Unruhe. Man muss sich mit der Wahrheit und
Schönheit der Farbengebung über diesen Mangel
trösten. Neben dem Werke hängen zwei Bildnisse
von Erich Hancke: das einer, auf einem mit hell-
seidenen Kissen belegtem Divan, gegen eine hell-
graue Wand sitzenden Dame in einer Toilette, in der
Schwarz und Rosa herrschen, und das eines Back-
fischchens in Hellrosa gegen Graublau. Beide un-
sicher in Zeichnung und Charakteristik, aber virtuos
heruntergemalt. George Mosson stellt ein leben-
dig und mit Geschmack auf delikaten Zusammen-
klang der Farben gemaltes Bildnis des Malers Ulrich
Hübner, ferner die Studie zu dem Brustbild einer
blonden jungen Dame gegen Hellgrün und einige her-
vorragend geschmackvolle, in der ArtManets gemalte
Blumenstilleben aus, unter denen Hortensien, Chry-
santhemen und Weintrauben wohl die feinsten sind.
Sehr interessant ist auch der Stuttgarter H. Pleuer
mit seinen Arbeiten, obgleich er dieses Mal nicht
gerade sehr wichtige zeigt; aber seine breite, wuch-
tige Malweise giebt den Studien und Bildern einen
so ausgesprochenen Charakter, dass man sie nicht
übersieht. Pleuer bevorzugt in neuester Zeit auf-
fallend dunkle Stimmungen: »Bahnhofshallen im
Winter«, »Abschied im Dunklen«, »Mondnacht«.
Seine schöne Gaben kommen jedoch in den wenigen
hier vorhandenen helleren Bildern: »Landschaft mit
Weinstöcken«, »Mädchen am Bach«, »Schäfer im
Scheunenthor« glücklicherzurGeltung. R.Schramm-
Zittau hat die Virtuosität Zügels ohne dessen
feines Naturgefühl. Seine Bilder leiden an einer
gewollt geistreichen Mache und überzeugen nicht
immer in den mitgeteilten Beobachtungen. »Gänse
im Wasser« und ein »Hühnerhof« haben noch die
meisten Vorzüge. Wunderbare Leistungen in dieser
Ausstellung sind ein grosser Sisley von 1866,
»Waldlisiere« — dunkelgrüne Bäume gegen einen
blauen Himmel —, sehr einfach aber stark, und
ein paar Claude Monets, unter denen ein früher
menschenbelebter »Boulevard« und ein »Weinberg
in schmelzendem Schnee« zu den allerbesten Leist-
ungen des Künstlers gehören. Mit Recht erregt
das »Junge Mädchen« von Matthias Streicher
hier allgemeine Aufmerksamkeit. Wenn nur die Be-
handlung des Kopfes, besonders die der Augen
weniger archaistisch wäre! Sonst ist die Marmor-
figur eines der vorzüglichsten plastischen Werke,
die in den letzten Jahren in Deutschland entstanden
sind. Welche feine Empfindung für die Schönheit
des knospenden weiblichen Körpers, welche pracht-
volle Behandlung des Materials! Ein Herkules, der
den Eber trägt, von Tuaillon, ein nicht sehr ge-
lungener kleiner Bronzeguss, zeigt, dass sich der
Künstler jetzt der freieren Art Rodins zuzuneigen
beginnt. — Bei Keller & Reiner erlebt man zunächst
eine gewisse Enttäuschung an dem Brüsseler Bild-
hauer Charles Samuel, dessen Denkmal für De
Coster ; Eulenspiegel und Nele« als Personifika-
tionen des vlämischen Geistes und Gemütes auf
allen grossen Kunstausstellungen bewundert wurde.
Er entpuppt sich hier als ein Nachempfinder von
Rodin und Meunier, der alle Formen des plastischen
Ausdrucks von der Starrheit der Gotik (Mater do-
lorosa) bis zum weichlichsten Salonstück Mädchen
aus Zeeland) beherrscht und in allen Materialien —
Marmor, Bronze, Holz, Elfenbein — gleich geschickt
arbeitet. Ein neues, grosses dekoratives Gemälde
von Ludwig von Hofmann zeigt des Künstlers

Vorzüge und Mängel, erfüllt aber seinen Zweck.
Im Lande der Glückseligen tanzt auf grüner Wiese
eine junge Schöne in hellen Gewändern einen Ser-
pentintanz. Nach der Weise, die ein Mädchen auf
einer Schalmei bläst, drehen sich gleichzeitig zwei
weibliche Paare im Rundtanz. Ein paar andere
schöne Wesen schauen zu. Ein nackter Jüngling
starrt, am Ufer sitzend, in das blaue Meer, das mit
einigen Felsen hinten das Bild abschliesst. Arka-
dien! Hans Baluschek und Martin Branden-
burg geben Blütenlesen aus ihren früheren Aus-
stellungen. Des Ersteren Darstellungen aus dem
Leben in Berlin O. wirken bereits vollkommen gro-
tesk, während sein Cyclus »Das Leben der Loko-
motive« auch jetzt noch stand hält. Brandenburg
hat seinen früheren Werken »Vom Ritter, dersuchte«,
»Schwarzer Wahn«, »Parsifal«, »Sandwirbel« eine
wichtigere neue Schöpfung »Der Verfasser der Apo-
kalypse« hinzugefügt, das den Lieblingsjünger des
Herrn in Renans Auffassung als einen verärgerten,
zänkischen und halbirren Greis darstellt, der in einem
roten Gewände vor einer Landschaft im Dünen-
charakter, gegen eine flackrige Luft stehend, gesti-
kulierend, mit aufgerissenen Augen ins Weite starrt.
Als Ausdruck, sozusagen litterarisch, hat die Arbeit
etwas, aber die Malerei ist gar zu trocken. Ein
anderes Werk »Mitsommer« — jubelnde Putti segeln
auf weisser Wolke am blauen Himmel über das
blaue Meer — ist in den Verhältnissen nicht glück-
lich. Indessen hat man aus der Gesamtheit der
Werke Brandenburgs doch den Eindruck einer eigen-
artigen und kräftigen Künstlerpersönlichkeit. Von
Otto Feld sieht man einige geschmackvolle Land-
schaften, unter denen ein »Vorfrühling« die sympa-
thischste ist. — In Ed. Schuttes Kunstsalon giebt es
zahlreiche Kollektivausstellungen, von denen aber
nicht eine tiefere Teilnahme erregt, am ehesten
noch die von Hans von Volkmann. Der Karls-
ruher Künstler beginnt ebenfalls luminaristischen
Motiven nachzugehen, von denen er schöne Proben
in einem im hellen Sonnenlicht liegenden ^Gehöft
in der Eifel« und einem »Alten Herrensitz; bietet,
dessen von hohen grünen Bäumen gedeckte Fassade
von Sonnenflecken überschüttet ist. Daneben finden
sich einige seiner schlichten, zuweilen aber auch
recht leeren Landschaften hier, die meist in der
Kraft der Farben gegen die neue Art zurückstehen.
Völlig zum Virtuosen ist Hans von Bartels ge-
worden. Auf seinen Bildern ist alles outriert. Einige
geschmackvolle Farbenkombinationen sind alles, was
anzuerkennen bleibt. Hans Herrmann zeigt Bilder
mit den bekannten holländischen Motiven, ist aber
ersichtlich bemüht, sich eine breitere Malweise an-
zugewöhnen. Ein »Delfter Kanal« ist die gelungenste
Frucht dieser Bestrebungen. Die Farben darauf
lassen bei aller Stärke die bei Herrmann gewohnte
Tonschönheit nicht vermissen. Ein »Maienverkauf
in Berlin« von ihm ist leider im Illustrativen stecken
geblieben. Eine Reihe von Porträts, die Herkomer
ausstellt, vermag dessen arg erschütterten Ruhm nicht
wieder zu heben. Diese Bildnisse sind nach einem
bestimmten Rezept gemacht. Bei einigen täuscht
die traditionelle englische Noblesse über den Mangel
an eigentlicher Auffassung fort — die Porträts von
Carstanjen und Lorenz Hans Herkomer sind be-
zeichnend dafür — bei anderen sucht der Künstler
Auffassung durch dürre Sachlichkeit im Sinne Anton
v. Werners zu ersetzen, wofür das Bildnis des Earl
of Albemarle ein schlagendes Beispiel bildet. Von
Otto Sinding hat man im allgemeinen die Em-
pfindung, dass er ein feinfühliger Künstler sei; aber
ihm fehlt die Stetigkeit im Verfolgen seines Weges.
Seine Ziele liegen überall und nirgends. Bald sieht

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