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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Rosenhagen, Hans: Wilhelm Trübner
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0391

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<*-kg> WILHELM TRÜBNER

Greif (Porträt s. S. 368), mit dem Philosophen
Du Prel und den Kunstgelehrten Bayersdorfer
und Eisenmann gewirkt.
Den Münchener Aufenthalt unterbricht eine
Reise nach London zu Verwandten, die Trüb-
ner ziemlich lange fernhält. Nach dieser Zeit
widmet er sich beinahe ausschliesslich der
Landschaftsmalerei. Er verbringt die Sommer-
monate in Seefeld am Pilsensee, in Wessling
am Wessiingersee, auf der Fraueninsel im
Chiemsee, in Seeon, in Ermatingen am Boden-
see oder in Heidelberg und produziert eine
stattliche Reihe von Landschaftsbildern, die
zu den allerbesten gehören, die in Deutschland
überhaupt gemalt worden sind.
Der Mangel jeder Anerkennung in diesen
schaffensfrohen Jahren musste den Künstler
nachdenklich machen. Er verglich seine Leist-
ungen mit denen erfolgreicherer Maler, be-
suchte u. a. besonders häufig das Atelier Pilotys
und kam, indem er auch die Werke der alten
Meister zum Vergleich heranzog, zu der Er-
kenntnis, dass es in der Kunst zwei Arten
von gut gebe, eine Güte von dauerndem und
eine von vergänglichem Wert. Diese sei bei
den populärkünstlerischen, jene bei den rein-
künstlerischen Werken zu konstatieren. Das
Verständnis für künstlerisches Denken sei
nicht genügend verbreitet, daher hielte das
Publikum die geistig schwächsten Bilder für
geistvoll, die künstlerisch geistreichsten für
geistig beschränkt. Alle Werke von bleiben-
dem Wert seien mittels reinkünstlerischem
Können hergestellt, dagegen beruhe die mit
der Zeit im Werte sinkende Kunstware nur
auf akademischem Können. Bei allen popu-
lären Richtungen bilde das akademische
Können die Grundlage. Der mittelmässig Be-
gabte strebe nach Korrektheit, das grosse Talent
allein nach Vollendung, und zwar der Ko-
lorist nach Vollendung der Farbe, der Fresko-
maler nach Vollendung der Linie. In seinen
beiden Schriften „Das Kunstverständnis von
heute" (1892 erschienen) und „Die Verwir-
rung der Kunstbegriffe" (1898, 2. Auflage
1900) hat Trübner diese Beobachtungen und
Erfahrungen aufs Anschaulichste dargelegt
und die Begründung für seine Ansichten
gegeben. Diese Schriften zeigen, dass der
Künstler ein ebenso scharfer Denker wie
geistvoller Mensch ist, und wie hoch er sich
selbst die Ziele seiner Kunst gesetzt hat.
Sie müssen zu den wertvollsten Aeusserungen
über das Thema Kunst gezählt werden.
Im Jahre 1895 kam auch zu Trübner der
Erfolg. In diesem Jahre wurde Leibis Be-
deutung bei einer Kollektiv-Ausstellung seiner
Werke in der Grossen Berliner Kunstaus-

stellung mit frohem Staunen von jenen ent-
deckt, die nach einer nationaldeutschen Kunst
riefen. Bei dieser Gelegenheit wurde man
auch endlich auf Trübner aufmerksam, bei
dessen Schöpfungen man ebenfalls die Wesens-
seiten deutscher Artzu konstatieren vermochte.
Er hatte die Genugthuung, dass die Werke,
die er fünfundzwanzig Jahre früher gemalt
hatte, die aber damals nur von ein paar Per-
sonen beachtet worden waren, nun auf ein-
mal als „modern" bewundert wurden, während
die Leistungen der meisten damals in Mode
gewesenen Künstler bereits als unmöglich
galten. Die Galerieleiter, durch die kolossale
Preissteigerung gewitzigt, mit der ein in-
telligenter Kunsthändler die Nichtbeachtung
Leibis an ihnen gerächt hatte, bemächtigten
sich mit überraschender Eile der Bilder aus
Trübners erster und zweiter Periode. Heut
ist kaum noch eine der wichtigeren deutschen
Galerien ohne ein Werk von ihm.
Die unerwartete Anerkennung, die der
Künstler in Berlin gefunden hatte, gab ihm
den Gedanken ein, München, wo er mit seinen
Ansichten und Anschauungen schliesslich ganz
allein stand, zu verlassen und in die Reichs-
hauptstadt überzusiedeln. Auf dem Wege
dahin wurde er 1897 in Frankfurt am Main
aufgehalten, wo er seinen alten Freundeskreis,
Hans Thoma, Wilhelm Steinhausen und die
Witwe Viktor Müllers wieder fand. Nach
kurzem Schwanken Hess er sich dort nieder.
Die landschaftliche Umgebung Frankfurts
hatte es ihm bald angethan. Mit seinem Freunde
Thoma zog er hinaus nach Cronberg oder in
den Odenwald. Auch später, als Thoma nach
Karlsruhe übersiedelte, vermochte Trübner
sich nicht mehr von Frankfurt zu trennen.
Er blieb dort und vermählte sich in der alten
Kaiserstadt im Jahre 1900 mit seiner kunst-
verständigen Schülerin Alice Auerbach. Kurze
Zeit vorher setzt eine neue Phase in Trübners
Schaffen ein. Die Ansätze dazu lagen bereits
in der Münchener Zeit.
Als die von Frankreich ausgehende Be-
wegung zu gunsten der Freilichtmalerei Mitte
der achziger Jahre des verflossenen Jahr-
hunderts gleich einem Sturmwind durch die
deutschen Malerateliers fuhr, war Trübner
einer der ersten, die die Vorteile eines helleren
Kolorits und die Dankbarkeit luminaristi-
scher Probleme schätzen lernten; allein er
fand damals nicht den verbindenden Weg
zwischen den neuen künstlerischen Gedanken
und der eigenen Art. Erst vor vier Jahren
gelang es ihm, helle Bilder und luminaristi-
sche Motive in dem schönen vollen Ton seiner
ersten Werke zu malen. Seit dieser Zeit

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