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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Zuckerkandl, Bertha: Klingers Beethoven in der Wiener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0414

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KLINGER-AUSSTELLUNG WIENER SECESSION
Linker Seitensaal: Wandmalereien von Gustav Klimt (s. S. 388)
Strebens; die Empörung gegen Schicksals- den Thronsessel schilderte, welchen Phidias
mächte, der Zornestaumel revoltierender Ge- seinem Zeus gab, dieses Wunderwerk geist-
schlechter, und unendlicher Gram — unend- reicher Ornamentierung, ebenso hat das Kunst-
liches Mitleiden spricht aus den wuchtig vermögen Klingers den Bronzestuhl, auf wel-
markigen Zügen — atmet in dem kampfes- chem Beethoven ruht, zu einem Kleinod
starken Leib. Klinger hat die Marter des Cellinesker Kunst gebildet, indem er ihn
Erkennens, welches dem Genie stets zu eigen wundersam verzierte mit im verlorenen Wachs
ist, wunderbar synthetisiert. Und wenn er gegossenen Reliefs. Heidentum und Christen-
auch die Züge Beethovens in eine dem Por- tum erscheinen in den Gestalten der Venus,
trat ganz nachgehende Weise gestaltete, so Adam und Evas und des Erlösers. Die Schön-
gelang es ihm doch durch die Eliminierung heit flieht bei dem Herannahen der Religion
jeder Zufälligkeit, durch die breite Behand- des Leidens. Wie „Christus im Olymp" den
lung der Oberfläche, aus der Formung eines Aneinanderprall zweier Welten zeigt, so ist auch
grossen Menschen, den Typus des Genies hier das Spiel der Form in den Reliefs dem
herauszukrystallisieren. Nebeneinander zweier Kulturwelten gewidmet.
Dieser starke Stimmungsgehalt, welcher der Weder die eine noch die andere Anschauung
Gestalt entströmt, wird noch erhöht durch vertritt der Künstler subjektiv. Er legt das
ein mit dramatischer Kraft geformtes Symbol, ungeheure Material der Menschheitsentwick-
Der Adler, der zu Füssen Beethovens kauert lung seinem Helden zu Füssen. Als Gipfel-
und mit einem kühnen Ruck des Halses den punkt der Aufhäufung aller Evolutionsphasen,
scharf blickenden Kopf hinanreckt, fragend, welche das Schönheitsdrängen der Menschheit
bewundernd, willfährig diesem Grössten nach- im Laufe der Jahrhunderte gewonnen, formt
zufliegen zu höchstem Flug, ist ein Bild, er einen Giganten der Erkenntnis, formt er
dessen vergleichende Wertung Klinger nicht den Gestalter höchster Harmonien,
nur die Möglichkeit einer Steigerung der Die Kunst des Bildhauers steht mit dem
seelischen Erhabenheit giebt, sondern auch Geiste seiner philosophisch-poetischen Kon-
seinen innersten Gedankengang klar allen das zeption auf gleicher Höhe. Tiefstes Ein-
Werk Schauenden offenbart. dringen in Naturformen und vollendete Ab-
Unddiesegedanklichen Beziehungen spinnen klärung desselben durch vergeistigte Be-
sieh fort, beleben die äussere Konstruktion tonung des grossen Zusammenhanges aller
des Monumentes. Wie Pausanias einstens Lebensgestaltungen schaffen allein ein Kunst-

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