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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Franz von Lenbach's künstlerisches Credo: ein Selbstbekenntnis des Meisters
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0033

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FRANZ VON LENBACH'S KÜNSTLERISCHES CREDO

I

Ein Selbstbekenntnis des Meisters*)

ch glaube nicht, daß irgend eine Epoche >Ein Quidam sagt, ich bin von keiner Schule,

der ruhigen zielbewußten Entwicklung be- ^ein Meister lebt, mit dem ich buhle;

,, , .. . ' , Auch bin ich weit davon entfernt,

gabter Maler so ungunstig gewesen ist, als Daß ich von Toten was gelernt _

die unsrige. Die fortlaufende Tradition ist Das heißt, wenn ich ihn recht verstand:
jählings unterbrochen. — Der erste beste Ich bin ein Narr auf eigne HandU —
Anfänger hält es für das einzig Richtige, Jedenfalls ist die jetzige Methode, nach
direkt an die Natur zu gehen, und sich von welcher es nur noch Meister und keine Lehr-
den „längst überwundenen Standpunkten" linge mehr gibt, sehr kraft- und zeitraubend,
seiner Vorgänger tunlichst frei zu machen. da der einzelne nicht mehr durch die Er-
Wer keck genug ist, ohne Wahl und Ge- fahrungen seiner Vorfahren, sondern, wenn
schmack sein Selbstgeschautes, wenn auch überhaupt, erst durch eigenen Schaden klug
in abschreckender Weise, auf Leinwand zu wird. Da die Akademien auf eine gediegene
bringen, der bildet sich ein, er habe die Kunst technische Ausbildung und gründliche Kennt-
erfunden. Auf keinem anderen Gebiete als nis der Kunstmittel bei den Schülern nicht
leider dem künstlerischen wäre es denkbar, genug sehen, da ferner auch die Werke der
daß der junge Nachwuchs die Erfahrungen alten großen Meister, die allein als leuchtende
der Generationen von früheren einfach miß- Vorbilder für uns alle dienen können, oft nur
achtete und dekretierte: „Mit mir fängt die in wenig würdiger Weise der Beschauung
Entwicklung von vorne an." —
Wenigstens würde es recht merk-
würdige Folgen haben, wenn in
Sachen der Wissenschaft oder In-
dustrie jemand sich aus Selb-
ständigkeitswahn nicht mehr der
schon gewonnenen Vorteile be-
dienen und die Grundlagen des
Handwerks so außer Augen setzen
wollte, wie es in Bezug auf unsere
Kunstmittel geschieht. Sich gründ-
liche Kenntnis der Maltechnik zu
verschaffen, gilt als veraltet und
ganz überlebt — und doch waren
gerade die geistigsten, im höch-
sten Sinne künstlerisch begabten
alten Meister am eifrigsten auf
Vervollkommnung der Technik
bedacht; aber sie wurden eben
gewissermaßen schon in dem
Wasser geboren, darin sie
künftig schwimmen sollten, wäh-
rend sich heutzutage jeder das
Wasser, das sein Lebenselement
werden soll, erst mühsam selbst
herbeischleppen muß. Beim
Hinblick auf unsere heutige
„originelle" Kunstjugend muß
ich bisweilen an Goethes Verse
denken:

*) Mit dessen freundl. erteilter Erlaubnis
seiner Einleitung zu Marcel Montandon's
G v s i s-Mo n ogr ap h i e (Bielefeld, Velhagen &
Kissing, s.a. d. Notiz a. S. 31 d. H.) entnommen. FRANZ VON LENBACH GABRIELE LENBACH

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