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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Clemen, Paul: Albert Bartholomé
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0065

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■sr-5^> ALBERT BARTHOLOME

letzten Salon erschien. Die reifen Formen sind verwunderlichen Sprünge ist seine Entwicklung
ganz groß, fast schwer, gar kein Raffinement der eine ganz reine, folgerichtige. Diese nie er-
Behandlung, die Gewandung ganz verallge- lahmende Arbeit an sich selbst ist es, die die
meinert, nur wie ein Abschluß. Die Porträtauf- Bürgschaft für seine künstlerische Zukunft
fassung möchte man am ehesten der Adolf Hilde- gibt. Er ist auch nach jenem großen Werk
brands vergleichen. Rührend ist dieSkizze eines nicht stehen geblieben, hat kaum gerastet,
frühverstorbenen Kindes, mit einem kranken Ein ernster, tiefer Mensch, der lange über
Zug um die Augen, für ein Grabrelief auf dem die Rätsel des Lebens und über die Grenzen
Kirchhof Montparnasse (Abb. s. S. 56), von seiner Kunst nachgesonnen hat, der sich für
einer erstaunlichen Naturtreue die Maske sich selbst die künstlerischen Formgesetze
Hayashis: wie bei den japanischen Masken aus den Bedingungen des Materials abgeleitet
eine ganz dünne Schale mit offenen Augen, hat. Es war das große Geheimnis seiner Arbeit,

Den Besuchern des Salons in diesem Frühjahr daß er nur für sich schuf, unbekümmert um
wareine Ueberraschung bereitet; im Garten des fremde Stimmen und den Tagesgeschmack,
großen Palais des Beaux-Arts erhob sich, un- Er ist ganz naiv dabei geblieben, nicht ver-
fern der Rodinschen Traumgedanken ein neues grübelt und nicht versonnen, mit offenen Sinnen
Grabmal, das unterdessen schon (s. nebenst. sieht und faßt er die Schönheit um sich. Auch
Abb.)seinenPlatzaufdemMontmartre-Kirchhof als Künstler ein großer, aufrichtiger und reiner
gefunden hat. Eine wunderliche Allegorie, eine Mensch — was kann man Besseres von ihm
echt französische: die Seele, die dem Grabe sagen?
entschlüpft. Eine ernste, große
Architektur, eine Art Sarkophag-
deckel, der von zwei dorischen
Säulen getragen wird. Ein ge-
flügelter Genius entschwebt dem
Grabe, noch halb unbelebt, mit
geschlossenen Füßen, langsam auf-
steigend, die linke Hand greift mit
schüchtern tastender Bewegung
nach der Deckplatte einer der Säu-
len, um sie zur Seite zu schieben,
leicht und ganz ohne Anstrengung,
die andere, mit der Handfläche
nach vorn, weist nach oben. Die
ganze Ausführung ist wieder aus
dem Stein herausgeboren, daher
das zur Seite flatternde, sich hinten
fest an den Grund anlegende Ge-
wand, die an der Decke haftenden
Flügel; gar keine Bravour der Be-
handlung, eher eine leichte Un-
beholfenheit.

Bartholome gehört keiner Rich-
tung, keiner Schule an, aber er hat
Schule gemacht; man braucht nur
die liegende Gestalt von E. Lagare
zu sehen, die im Salon von 1901
auftauchte, oder selbst in Deutsch-
land Franz Metzners Entwurf zu
dem Wagnermonument, „die Nacht
einer großen Seele". Er ist ein ehr-
lich ringender, in mühevoller Ar-
beit sich abquälender Künstler,
aber er sucht das, was Wilhelm
von Humboldt einmal die ganze
Größe des Menschen genannt hat,
Eigentümlichkeit der Kraft und A. Bartholome •«« ghabmÄl auf dem

der Bildung. Trotz der großen, montmartre-friedhof

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