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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Esswein, Hermann; Neumann, Ernst: Die Bedeutung der Photographie für den bildenden Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0076

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FÜR DEN BILDENDEN KÜNSTLER <Ö=^~

Sinne der Kunst verwerten lernt. Dazu ist
die Photographie vor allem der billigste Weg.
Betrachten wir wiederum an einem Beispiele,
wie dem Künstler bei seinem Schaffen diese
Anregung zu gute kommt. Nehmen wir an,
der Künstler brauche irgend ein Milieu, um
einen Typus dieses Milieus darzustellen, etwa
das Bauern-Milieu. —

Um dasselbe so genau kennen zu lernen,
daß er es künstlerisch bewältigen kann, muß
der unbeholfenere Künstler lange Zeit auf
dem Lande, unter Bauern leben. Eine un-
willkürliche Anpassung an das Milieu ist da-
bei unausbleiblich und damit kommt denn
auch der Künstler so weit, daß er schließ-
lich seine Bauern als Bauer malen kann. Der
Spezialist ist damit fertig.

Der überlegene Künstler jedoch, dem seine
gelegentliche Bauerndarstellung nur am Wege
zu weiteren künstlerischen Zielen liegt, tut
gut daran, in seinem eigenen überlegenen
Milieu zu bleiben und sich durch das photo-
graphierte Milieu anzuregen, sich dadurch an
das Milieu selbst, wie er es früher natürlich
direkt kennen gelernt und aufs Schärfste be-
obachtet haben muß, zu erinnern. Dadurch,
daß er an der Hand der Photographien auf
seine Beobachtungen zurückkommt, dadurch,
daß er sich auf Grund seines erhöhten Vor-

stellungsvermögens mit Leichtigkeit in das
Milieu der photographierten naturalistischen
Tatsachen einlebt, bleibt er davor bewahrt,
dem Zwange dieses Milieus zu erliegen, in
ihm unterzugehen. —

Auch in diesem Falle hat er den Vorzug
des auf naturalistischer Basis selbstschöpfe-
risch weiterarbeitenden Künstlers vor dem
bloßen naturalistischen Beobachter und Nach-
zeichner, der nur zu leicht das Opfer seines
Gegenstandes oder des Milieus wird, dem
seine künstlerischen Bemühungen gelten. —

* ' »

Wir schließen mit dem Bewußtsein, durch
die obigen Ausführungen unser Thema nicht
erschöpft zu haben, das zudem noch ein viel-
seitiges Thema ist, das nach allen Richtungen
hin Anregung zu weiteren, genaueren Unter-
suchungen ausstrahlt. Das Resultat aller
solcher Untersuchungen haben wir deutlich
vor Augen. Am besten wäre es dadurch zu
erreichen, zu verdeutlichen, daß viele der
Grundbegriffe, die wir hier in unserem Sinne
gebrauchten, ohne Raum, sie vor den Augen
des Lesers entstehen zu lassen, allmählich
im Verlaufe ähnlicher Arbeiten festgelegt,
gleichsam verankert würden.
Hermann Esswein Ernst Neumann

hans anetsberger st. hubertus

Aus der Jahresmappe 1892 des Münchener Radiervereins

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