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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Von Ausstellungen und Sammlungen - Denkmäler - Vermischtes - Kunstliteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0142

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■w-SÖ> KUNSTLITERATUR Osl^

beherrschen. Eine davon ist die von Pierre Bing
in Paris, die Klingers Beethoventhron gegossen hat.
Elsa Asenijeff schildert das Verfahren ganz ausführ-
lich: die Herstellung des Wachsmodells, die Her-
stellung der Bronze durch verlorene Form, den
Formmantel und seine Austrocknung, die Wachs-
ausschmelzung, das Legieren, endlich den direkten
Guß. Dieses letzte Kapitel ist wahrhaft ergreifend
geschrieben; wir meinen dem Guß selbst beizu-
wohnen, wir teilen die Angst, die innere Aufregung
der Beteiligten, die den ganzen Tag in glühender
Hitze arbeiten und bangen, und warten und schaffen,
bis endlich nachts zwei Uhr die glühende Masse in
die Gußform hineingestürzt ist und die heraus-
knallende Watte der Luftabzüge das Zeichen gibt,
daß der Guß gelungen ist. — Acht Heliogravüren,
fünf Beilagen und achtzehn Abbildungen im Text
veranschaulichen das Werk und sein Werden. Der
Thron vor allem tritt uns in Gips, in Wachs und
in Bronze entgegen, so daß wir uns der Vorzüge
des so einläßlich und klar geschilderten Verfahrens
voll bewußt werden. Das Buch der Elsa Aseni-
jeff ist somit ein Dokument unserer Kunst auf ihrer
Höhe für künftige Zeiten. P. Sch.

C. Beyer-Bo ppard. Dan neckers A ria dn e.
(Frankfurt a. M., Literarische Anstalt, Rütten &
Loening, 1 M.)

Ueber die Entstehungsgeschichte des bekannte-
sten plastischen Kunstwerkes der klassicistischen
Periode, der unvergleichlich schönen Dannecker-
schen Ariadne, war bisher in weiteren Kreisen
wenig bekannt. Professor Dr. Conrad Beyer-Boppard
hat nun diese Lücke in der Kunstliteratur in dankens-
werter Weise durch die obenerwähnte Studie aus-
gefüllt, die zu gleicher Zeit, von Miß Frances Cahn
übersetzt, in englischer Sprache erschien. Wir
werden zunächst in das Stuttgarter Heim des Bild-
hauers eingeführt, wo sich stets ein auserlesener
Kreis von Künstlern und Gelehrten versammelte,
unter andern auch die schöne und allbeliebte Gattin
des Hofstukkateurs Fosetta, die Hofschauspielerin
Charlotte Fosetta, mit der Dannecker sich oft und
in der angeregtesten Weise über Kunst und Kunst-
ideale unterhielt. Bei einem dieser Gespräche meinte
Dannecker, wie unendlich schwer es für den Künst-
ler sei, wirklich mustergültige lebende Modelle zu
finden, und fügte mit einem bewundernden Blick auf
die Künstlerin hinzu: >Ja, wenn ich so glücklich
wäre, nach solch herrlicher Formenharmonie arbeiten
zu können, so sollte der wahren Kunst Segen daraus
erblühen!« Ohne jede Prüderie willigte die geniale
Frau nach einigen kurzen Hin- und Gegenreden
ein, unter gewissen Einschränkungen und Ver-
hüllungen, Dannecker Modell zu stehen. Hingerissen
vor Freude und Dankbarkeit ging der Künstler an
das Werk, das seinen Ruhm krönen sollte. Als ihn
eines Tages der Bildhauer Renz aus Rom aufsuchte,
und Dannecker ihm das in Arbeit befindliche Kunst-
werk enthüllte, kannte dessen Begeisterung keine
Grenzen. >Existiert diese Göttererscheinung<, rief
er aus, >oder ist Ihr Werk ein Gebilde gewaltiger
Künstlerphantasie?« Als Dannecker ihm sagte, daß
es Wirklichkeit und nicht Phantasie sei, fragte ihn
Renz, ob er dieses Götterweib nicht zu Gesicht
bekommen könnte. Dannecker trug die Bitte seines
Freundes Frau Fosetta vor, und diese, von dem Ge-
danken beseelt, wiederum einem wirklichen Künstler
nützen zu können, erklärte sich zu einer Sitzung im
Beisein von Renz bereit. Dieser stand versunken in
den herrlichen Anblick, als er neben dem Kunstwerke
das Original vor sich sah. Plötzlich stürzt er vor-
wärts: iEs wäre ein Verbrechen am Heiligtume der

Kunst', rief er begeistert aus, >wenn auch nur eine
Linie dieser Schönheit verloren ginge! Hinweg mit
dem Schleier!« Mit einem Griff hatte er die Hülle
entfernt, und Danneckers sehnlichster Wunsch war
damit erfüllt. So entstand die heute weltberühmte
Ariadne. Längere Zeit stand das herrliche Modell
vielbewundert da, bis durch den Schwager des Künst-
lers, den Hofrat Heinrich Rapp, der Frankfurter
Kunstmäcen, Staatsrat Simon Moritz von Bethmann
auf das Kunstwerk aufmerksam gemacht wurde und
dieser Dannecker, laut Vertrag vom 20. Dezember 1810,
den Auftrag erteilte, es in Marmor auszuführen.
Der dafür geforderte und bewilligte Preis betrug
11000 fl. Im August 1814 wurde dann die Ariadne
vollendet, dagegen erst im Juni 1816 nach Frank-
furt überführt, nachdem das dafür bestimmte Ge-
bäude vollendet war. Der damals in Stuttgart
lebende Dichter Friedrich Rückert gab seiner
Trauer, daß dies Meisterwerk von Stuttgart fort-
kam, in zwei Gedichten Ausdruck, die Professor
Beyer seiner Broschüre beigefügt hat. Die bisher
unbekannten Mitteilungen sind zum Teil dem nicht
im Buchhandel befindlichen, nur in sechzig Exem-
plaren gedruckten, Prachtwerke von Dr. H. Pallmann:
»Simon Moritz von Bethmann und seine Vorfahren^
entnommen. Die interessante und lebendig ge-
schriebene Studie endet mit einer kurzen Lebens-
skizze Danneckers und mit Notizen über die Familie
v. Bethmann. An Abbildungen sind außer zahl-
reichen Vignetten die Bildnisse Danneckers und
des Staatsrates von Bethmann, sowie Aufnahmen
der Ariadne nach dem Originale beigefügt. A

Dr.M.Schmid. Ein Aachener Patrizier-
haus des 18. Jahrhunderts. (Jul. Hoffmann,
Stuttgart. 40 M.)

Daß es nicht möglich gewesen ist, das Wespien-
haus mit seinen für ein Bürgerheim geradezu
staunenswerten Kunstschätzen der Heimat zu er-
halten, ist tief zu beklagen. Ganz frei von Schuld
kann man wohl die reiche Stadt Aachen, Provinzial-
und Staatsbehörden nicht sprechen, wenn auch die
aufzuwendenden Mittel, um Auktion und Zerstreuung
in alle Winde zu verhindern, bedeutende gewesen
wären. Eine dankenswerte Aufgabe hat daher Prof.
Schmid unternommen, als er in 44 Foliolichtdruck-
tafeln das Haus und die mit ihm so eng verwachse-
nen Kunstwerke publizierte. Zwei Säle, ein größerer
und ein kleiner, enthalten niederländische Gobelins,
für den Platz gewebt und von außerordentlich feinen
Rokokorahmen umgeben, die in Holz geschnitzt sind.
Diese beiden Räume kann man getrost zu dem
besten zählen, was uns die Kunst dieser Zeit im
Bürgerhause hinterlassen hat. Das schmiedeeiserne
Treppengeländer, Bilder, Kamine, geschnitzte Türen,
Wandtäfelungen, Stuckdecken u. s. w. machten das
Haus als Ganzes wertvoll für die Kunstgeschichte
des 18. Jahrhunderts. Nun muß das Buch eben,
so gut es geht, für diese Aufgabe eintreten. Die
Photographien waren, wie der Verfasser selbst be-
tont, ursprünglich nicht für den Zweck der Verviel-
fältigung gemacht und nur Liebhaberaufnahmen.
Trotz der manchmal ungünstigen Beleuchtung geben
sie den Gesamteindruck und das Detail ausreichend
wieder. Der Text enthält eine Beschreibung der
Räume und eine historische Untersuchung über
Baugeschichte und Familiengeschichte des Erbauers,
Bürgermeister Wespien. Das diesem in der ganzen
Publikation gleichsam gesetzte Denkmal ist um so
mehr mit Freuden zu begrüßen, als gerade die
schönen Bürgerhäuser aus der Barockzeit in ihrem
Bestände so sehr gefährdet sind und eines nach
dem andern verschwindet. H. W.

Redaktionsschluß: 1. November 1902. Ausgabe: 13. November 1902.

Herausgeber: Friedrich PEtHT. — Verantwortlicher Redakteur: Fritz Schwartz.
Verlagsanstalt F. Bruckmann a.-g. — Druck von Alphons Bruckmann. Sämtlich in München.
 
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