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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Kaufmann, Hugo; Wirth, Robert; Neumann, Ernst; Esswein, Hermann: Zum Thema "Die Kostümfrage in der Denkmalskunst"
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0161

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^-SÖ> DIE KOSTÜMFRAGE IN DER DENKMALSKUNST

SALVADORE VI N I E G R A Y LASSO -SEINE EMINENZ.

Maskerade, welche sogar dem Fluche des Lächer- interpretieren müssen? Eine ideale Gewandung
liehen unterliegen kann, nach der bekannten Er- verlangt einen idealen Träger. Nun ja, sagt man,
fahrung, daß vom Erhabenen zum Lächerlichen nur Kaiser Friedrich hatte ja etwas Idealmännliches
ein Schritt sei. Man will offenbar wieder einmal und Majestätisches an sich. Gewiß sollen ihm diese
;originell< werden, wir haben zur Abwechslung die Eigenschaften gelassen werden, aber sollen denn
Naturwahrheit wieder einmal >über<. Aber dabei die anderen Seiten seiner Natur, die mehr einer
kommen wir doch aus dem unheimlichen Banne ruhigen vornehmen Bürgerlichkeit entsprachen, nicht
der Tradition früherer künstlerischer Gepflogen- auch zu ihrem Rechte kommen? Wenn man ver-
liehen nicht heraus. Man fragt sich bei der Ideali- langt, die Majestät solle eben durch ein Idealgewand
sierung einer Persönlichkeit, die noch mit uns lebte gehoben werden, so ist darauf hinzuweisen, daß
und deren einfache Menschlichkeit uns noch vor heute ein majestätisches Gehaben selbst bei einem
Augen stand: Soll denn der Kaiser Friedrich eine Fürsten nur als eine untergeordnete äußere Eigen-
gemeißelte Romanfigur werden? Soll der Künstler schaft zu gelten hat; das Herrschertum ist heute
sich geben in der Wiedergabe des Bildes oder soll ganz bürgerlich geworden und wird es, falls es seine
das Bild gegeben werden durch den Künstler? Trotz zeitgemäße Bestimmung nicht verkennt, sicherlich
aller gegenteiligen ausgeklügelten Bemerkungen galt auch fernerhin bleiben. Uebrigens gibt es nichts
und gilt heute noch der einfache Satz: Der Eindruck Langweiligeres als die dem Fürsten selbst lästige
eines Monuments, das eine bekannte Person vor- Prunkmajestät. Kein Herrscher ist heute in erster
stellen soll, ist bedingt durch die Leibhaftigkeit, Linie bloßer Ornatrepräsentant seines Volkes. Warum
mit welcher uns die Person im Kunstwerke ent- den edlen Kaiser Friedrich zu einem Dekorations-
gegentritt. Soll man den Kaiser Friedrich in seinem versuch benutzen? Man eifert in gewissen Künstler-
Denkmale erst durch die Aufschrift wiedererkennen? kreisen gegen die enge Hohlform unserer Kleidung,
In der Kunst ist der erste Eindruck der beste, be- in welche unser Körper glatt anliegend gesteckt wird,
sonders bei einem Werke, welches vor die Allge- in unserem Falle namentlich gegen die Kürassier-
meinheit gestellt werden soll. Warum eine gleich- Stiefel, aber abgesehen von anderen Gründen ist
zeitige Person heute noch durch ein veraltetes eine solche Kleidung im allgemeinen schon wegen
Kunstprinzip zurückschrauben oder gar der Zeit des Klimas bei uns eine Notwendigkeit — soll viel-
entheben, da sie lebte und strebte? Warum ein leicht Kaiser Friedrich eine heroisierte Wade zeigen ?
Mittelding schaffen zwischen dem wirklichen Wesen Und was soll aus dem langen Strähnenbart werden?
des darzustellenden Mannes, das man doch nicht Soll er gestutzt und nach antikem Muster kurz- oder
hintansetzen kann, und einem rein ersonnenen schöngelockt erscheinen? Man kann harmlos Per-
Wesen? Sollen wir zwei Friedriche in dem einen sönlichkeiten heroisieren, die uns geschichtlich weit
wirklichen haben, d. h. einen realen, wie wir ihn entrückt sind und deren Aeußeres nicht oder nur
alle kennen und lieben, und einen idealen oder unvollkommen bekannt ist, man typisiere nach
mindestens idealisierten? Soll der Nachwelt vor- Herzenslust im Bilde mythologische Phantasie-
demonstriert werden, wie Friedrich eigentlich seinem wesen, aber man mache den Versuch nicht an einer
Wesen entsprechend hätte bekleidet sein müssen? populären zeitgenössischen Persönlichkeit, deren
Soll man sich den wirklichen Mann aus dem über- Bild sich nach der reinen Wirklichkeit bereits fest
wirklichen erst wieder rekonstruieren oder heraus- dem Gedächtnisse ihres Volkes eingeprägt hat.

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