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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Rosenhagen, Hans: Aus den Berliner Kunstsalons
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0209

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-a-4^> AUS DEN BERLINER KUNSTSALONS

Er bemüht sich, die Welt mit eigenen Augen zu
sehen, und verfällt nur manchmal noch in den
Fehler, Ateliererfahrungen für Natureindrücke zu
geben. So in dem Bilde »Teestunde«, wo das
Gelb des herbstlichen Gartens hinter der an ihrem
Tischchen sitzenden Schönen nicht gesehen, son-
dern nur erfunden und nicht gut erfunden ist. Am
glücklichsten zeigte sich des Künstlers Talent in
dem kleinen Interieur ■. Die Guitarrespielerin«. Edv.
Münch ließ eine Anzahl Kaltenadelarbeiten, zu-
meist Porträts, sehen, die einen eminenten, fast
schon eleganten Zeichner und einen hervorragen-
den Psychologen verraten. Die letzte Ausstellung
bringt eine Sammlung neuer Bilder von Gaston
La Touche. Der französische Maler ist kein tief-
gründiges, aber ein sehr amüsantes Talent, das in
seiner geistreichen improvisierenden Art, in seiner
Fruchtbarkeit und

Vielseitigkeit,
stark an die großen
Rokokokünstler,
an Boucher und
Fragonard erin-
nert. Er hat auch
ein Faible für ihre
Stoffe. An Stelle

ihres pikanten
Grau setzt er ein
raffiniertes Gelb,
das er mit Grün,
Rot und Blau zu
aufregenden Ak-
kordenzustimmen
weiß. Er fabuliert
vom >jungen Kö-
nig«, den beim Er-
wachen reizende
Damen begrüßen,
von einem Faun,
der sich in einen
Park verirrt hat,

am Postament
einer Marmor-
gruppe sitzt und
die Syrinx bläst.
Mit großen Augen

schauen zwei
Kindchen das zie-
genbeinige Wun-
der an, und zier-
liche Damen lau-
schen ihm, wäh-
rend im Hinter-
grunde die Fenster
des Rokokoschlößchens im Abendschein leuchten.
Oder im Schlosse ist Ball und schillernde Masken
schreiten im Schein unzähliger Lichter die gewun-
dene Doppeltreppe hinauf zum Tanzsaal. Dann kommt
die Nacht, und Diana, die leuchtende Göttin, nimmt,
umkreist von Schwänen, ihr Bad im mondbeglänzten
Schloßteich. Aber auch Bilder der Gegenwart sind da.
Eine nachdenkliche junge Dame schlürft im grünen
Dämmerlicht ihres Boudoirs den Tee. Vor ihr
steht ein Strauß von rosa Rosen. Ein junges Paar
liest gemeinsam einen Roman, aber fühlt sich ver-
legen nach den süßen Erlebnissen eines Schäfer-
stündchens. Im Ballsaal gibt es eine kleine Aus-
einandersetzung zwischen zwei Rivalinnen vor einem
Spiegel, dessen Glas den Glanz des Festes im
Raum zurückwirft. Eins der besten Bilder zeigt
eine weißgekleidete elegante Dame im Theater
gegen die roten Fonds der Logen. Farben- und
Lichtprobleme von diesem Raffinement kannten die

Rokokomaler natürlich nicht. Der Spanier Ramon
Garrido stellt neben einem lustigen Stilleben von
weißem Porzellan und braunen Flaschen >Die kleine
Küchenfeec, ein Damenporträt in Braun und Gelb
aus mit einem etwas brutalen Kopf, aber einer
wundervoll gemalten Hand, Carl Moll das aus
der vorjährigen Glaspalast-Ausstellung bekannte
»Interieur« in neoimpressionistischer Malweise.
Auch Schönleber's »Morgen am Strand« von der
Düsseldorfer Ausstellung ist hier. Weniger er-
freulich sind die Bilder aus Paris von M. E. Louis
Gillot, die eine Synthese von Pissarros und
Raffaellis Impressionismus vorstellen, und Maxi-
milian Liebenwein's >Märchenillustrationen«,
»Verlorener Sohn« und »Frauenaltar«, die sich
nicht über das übliche erheben. Von Einzeler-
scheinungen verdienen als bemerkenswert Neven-Du

Mont's »Mutter
und Kind«, Par-

lade's »Tanz-
stunde« und eine

Landschaft von
Walton erwähnt
zu werden. Un-
geteilte Bewunde-
rung aber findet
eine Kollektion
neuer Gläser von
Emile Galle, die
dessen frühere

Leistungen an
künstlerischerund
phantastischer
Schönheit noch
übertreffen.

Die Amelang-
sche Kunsthand-
lung hat in einem
von Kimbel vor-
nehm und sachlich
ausgestatteten Sa-
lon in der Kant-
straße, also in
nächster Nachbar-
schaft der Berliner
Secession, eine
ständige Schwarz-
Weiß -Ausstellung
etabliert, die Origi-
nal - Zeichnungen,
Radierungen, Li-
thographien und
Aquarelle vorfüh-
ren wird. Man
begann mit einer Ausstellung von Arbeiten deutscher
Künstler, die zunächst einmal sehr reichhaltig war
und wohl noch kein Programm bedeutet. Man
sah Studien von Menzel und Meyerheim, Zeich-
nungen von dem neuentdeckten Berliner Steinlen
Heinrich Zille und dem Berliner Veduten-
maler Hans Seydel, Arbeiten von Hölzel, Otto
H. Engel, Schlichting, Uth und Kappstein,
Radierungen von Heinrich Reifferscheid und
Hermann Struck, farbige Lithographien von Ernst
Neumann und vieles andere, das in das Gebiet der
Graphik fällt. Da die Zahl der Sammler von der-
gleichen Schöpfungen täglich wächst, entspricht die
Gründung des Salons einem gewissen Bedürfnis. Ob
er zu einem tätigen Faktor im Berliner Kunstleben
werden wird, hängt freilich von seiner Weiterent-
wicklung ab.

Hans Rosrnhagf.n

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