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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Vogel, Julius: Bruno Héroux
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0220

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-a-fi^> BRUNO HEROUX -C^ä=s~

Schneider je bedrohen konnte: die Erfindung
der Zinkographie. Heroux hat (nicht wie
andere seiner Zunftgenossen, die mit Gering-
schätzung auf die neue Erfindung herabblickten)
ihre Bedeutung für die moderne Illustrations-
kunst sofort erkannt, und er entschloß sich,
Kaufmann zu werden, aber er hospitierte
zugleich weiter auf der Akademie und schloß
sich namentlich an den inzwischen nach Dres-
den berufenen Professor Wehle an, der ihn
ermutigte, Maler zu werden. Nach weiteren
zwei Jahren, in denen er die Akademie be-
suchte, machte er sich „selbständig", d. h. er
versuchte, da ihm die Unterstützung der
Seinigen drückend wurde, im Kampfe ums
Dasein auf eigenen Füßen stehend, durch seine
Kunst sich eine Existenz zu bereiten. Streb-
samkeit, Fleiß, Ausdauer und die eminent ent-
wickelte zeichnerische Gabe, die seinem Talent
den Weg gewiesen hat, haben den jungen
Künstler schnell seinem Ziele zugeführt. Für
den, der, wie es hier geschieht, auch nur in
Kürze eine solche Künstlerexistenz verfolgt,
ist es ein Bedürfnis, die Tüchtigkeit dieses
Mannes rühmend hervorzuheben.

Die oben erwähnten Arbeiten für einen
anatomischen Atlas zeigen, daß Heroux' Kunst
nach Brot gehen mußte. Freilich hat er sich
auch durch seine wunderbar exakten, technisch
meisterhaften Zeichnungen, die er von zahl-
reichen anatomischen Präparaten für das von
dem Leipziger Professor Spalteholz heraus-
gegebene, bei Hirzel erschienene anatomische
Werk im Laufe der Jahre angefertigt hat, in
der medizinischen Wissenschaft einen Namen
gemacht, daß Heroux unter den für wissen-
schaftliche Zwecke brauchbaren Zeichnern in
Deutschland gegenwärtig unbedingt an erster
Stelle steht. Indessen, wenn eine solche Tätig-
keit auch sehr viel Anerkennung einbringt, den
Künstler, der schaffensfreudig genug und ehr-
geizig ist, sich selbst in seinen Werken zu
geben und seiner Phantasie Raum zu gönnen,
wird sie auf die Dauer um so weniger befriedigen,
als gerade die Kreise, die er mit seinen Werken
erfreuen möchte, von ihnen unberührt bleiben.
So hat sich denn Heroux in dem Bedürfnis,
zu Kunstfreunden reden zu dürfen, graphi-
schen Arbeiten zugewendet; die ersten waren
vor etwa drei Jahren bei Gelegenheit der Ein-
weihung des Leipziger Künstlerhauses aus-
gestellt und erregten trotz ihrer Anspruchs-
losigkeit bei Kennern und Fachleuten Aufsehen.
Max Klinger sprach sich sehr anerkennend
aus, und auch Adolf Menzel äußerte sich über
die Vorzüglichkeit der Blätter des jungen
Leipziger Künstlers. Seit jener Zeit hat
Heroux vielfach ausgestellt, stets mit steigen-

dem Erfolg, und außer Privatsammlern haben
einzelne öffentliche Sammlungen seinen Ar-
beiten ihre Aufmerksamkeit zugewandt. Das
Leipziger Museum dürfte die Reihe beinahe
vollständig besitzen, da man es als Ehren-
sache angesehen hat, das Werk des vortreff-
lichen Künstlers beisammen zu haben.

Heroux hat sich in selbständigen Arbeiten,
d. h. solchen, die er nicht im Auftrage von
Verlagsbuchhändlern ausführte, in den ver-
schiedensten Arten der graphischen Technik
versucht. Er beherrscht die Lithographie,
Radierung, Kaltnadelarbeit und den Holz-
schnitt, von dem er ausgegangen ist; sein
technisches Geschick und die Leichtigkeit,
mit der er den Griffel auf der Stein- und
Kupferplatte zu führen weiß, hat ihm auch
das Verfahren erschlossen, mit dem Her-
komer die Kupferplatte auf galvanischem
Wege zur Vervielfältigung hergerichtet hat.
Großen phantastischen Kompositionen, wie sie
Greiners Steinzeichnungen darstellen, und
zyklischen Folgen, wie wir sie Klinger und
anderen Modernen verdanken, begegnen wir
in Heroux' Kunst nicht: es dürfte ihm hierfür
nicht an der nötigen Begabung, als vielmehr
an der zu größeren Arbeiten nötigen Zeit ge-
fehlt haben. Was wir von ihm bisher be-
sitzen, sind kleinere Einzelblätter, bald Studien
nach dem nackten Körper, dessen anato-
mischen Bau er vermöge seiner Berufstätig-
keit mit einer wunderbaren Anschaulichkeit
darzustellen weiß, bald Porträtköpfe, bald
allerhand sonstige Studien, die, vor der Natur
entstanden, vom Künstler der Vervielfältigung
für wert gehalten wurden. Mit besonderem
Glück hat sich Heroux dem Holzschnitt zu-
gewandt, der Kunst, der er einst entsagt
hatte, weil es schien, als ob ihr letztes Stünd-
lein geschlagen habe. Es ist bei ihm aber
nicht der elegante Tonschnitt, den das Illu-
strationsbedürfnis unserer Zeitschriften aus-
gebildet hat, sondern die stilgerechte Stichel-
technik, der Stich, wie ihn das Werkzeug
(der Stichel) und das Material (Buchsbaumholz)
bedingen. Wir irren vielleicht nicht, wenn
wir in dieser Behandlung des Holzschnittes,
in der Rückkehr zu der primitiveren Art
längst vergangener Zeiten, in dem Aufgeben
des modernen Tonschnittes die zukünftige
Bedeutung der Xylographie erblicken. Neben
Krüger und anderen hat Heroux den Beweis
geliefert, daß der Holzschnitt nicht eine die
Ideen anderer reproduzierende, sondern selb-
ständige Kunst ist, was sie von Haus aus
war und wieder sein kann, wenn sie sich
innerhalb der Grenzen hält, die, wie unser
Künstler es richtig betont, Material und In-

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