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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Kayser, Bernhard: Die Frühjahr-Ausstellung der Münchener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0342

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DIE FRÜHJAHR-AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER SECESSION

Von Bernhard Kayser

Es ist immer ein Gefühl der Neugierde
und einer angenehmen Spannung, das einen
auf dem Gang zu der neueröffneten Frühling-
Ausstellung begleitet. Was gibt es Neues in
der Münchener Kunst? — das ist die Frage.
Und nirgends erhält man eine promptere Ant-
wort darauf als dort. Daher die Sympathie
für die „Frühjahr-Secession" in weiten kunst-
freundlichen Kreisen, und ebendaher die un-
verhohlene Abneigung, die man im Kreise
derer, denen die Begriffe „neu" und „uner-
hört" identisch sind, dem jungen Unter-
nehmen, sei es in Form von Spott und Hohn
oder überlegener Nichtbeachtung, einst ent-
gegenbrachte und noch entgegenbringt. Tadeln
ist ja leicht, aber es ist auch nicht schwer
zu loben, wenn es die Mode vorschreibt.
Schwer dagegen bleibt es immer, sich und
anderen Rechenschaft zu geben von dem
empfangenen Eindruck, sei er günstig oder
ungünstig, und nirgends ist das schwerer als
gegenüber einer Ausstellung von der Eigen-
art der Münchener Frühjahr-Secession. So
interessant es sein mag, darüber zu plaudern,
so spröd verhält sich der Gegenstand gegen
eine eingehende deskriptive Behandlung, so
widerspenstig zeigt sich das Einzelne gegen
eine bedächtige Analyse. Nicht um fertige
Kunstwerke handelt es sich ja hier, Werke,
die mit deutlicher Sprache dem Beschauer
seinen Standpunkt anweisen, die als organische
Schöpfungen ihr Gesetz in sich tragen und
nach eben diesem Gesetz beurteilt sein wollen.
Wie bisher so trägt auch diesesmal die „Früh-
jahr-Secession" zu einem guten Teil, ja in
ihrem besten Teil das Gepräge einer Studien-
Ausstellung. „Studie" im weitesten Sinne des
Wortes genommen, denn natürlich handelt es
sich nicht, wie man wohl auch schon be-
hauptet hat, um akademische Schulübungen,
jene abscheulichen, zahnlosen Greisenköpfe
und häßlichen Akte, sondern um wirkliche
künstlerische Leistungen, zum Teil Skizzen
zwangloser Art und meist nur in einem Punkte,
demjenigen nämlich, der den Künstler eigent-
lich interessierte, vollendet. Da ist alles ver-
treten: vom mühsam erarbeiteten objektiven
Naturausschnitt bis zur subjektivsten Ideen-
skizze, dem koloristischen Impromptu und
momentan notierten Einfällen verschiedenster
Art. Was aber all diesen Skizzen, Studien
und Entwürfen gemeinsam ist, und was eine

Beurteilung und das Verständnis überhaupt
so ungemein schwierig macht, ist das Zu-
fällige, das ihnen anhaftet. Da ja die Be-
dingungen ihres Entstehens zum Teil außerhalb
des Dargestellten liegen, muß der Darstellung
selbst notwendigerweise etwas Unmotivie.tes
verbleiben. Wer anders als der Künstler
selbst möchte den Beweis wagen, daß dies
oder das unkontrollierbare Etwas, es mag an
sich noch so reizvoll sein, einer Revision
vor der Natur standhielte, daß es in anderem
Maßstabe fertig ausgeführt, noch glaubhaft
und überzeugend wirke. Nur der Künstler,
und auch er nur durch die Tat, vermöchte
den Wahrheitsbeweis anzutreten.

Dem Kritikus geht es nicht besser wie
jedem anderen Laien. Bis zu einem hohen
Grad muß er auf Treu und Glauben hin-
nehmen, was eben für jedermann, der nicht
das Glück hat Maler zu sein, schlechterdings
inkommensurabel bleibt.

Gewiß führt aber ein gläubiges Entgegen-

hermann groeber an der tür

Frühjahr-Ausstellang der Mänchener Secession

Die Kunst für Alle XVIII. 14. 15. Afril 1903.

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