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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Haushofer, Max: Ueber Drachen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0012

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Fig. 8. Japanischer Drache (antik).

X

geblieben. Als Fohl über die Einrichtung der Schrift
nachsann, trug ihm das Drachenpferd Lung-Ma auf feinem
Rücken die mystische Tafel mit den Grundfiguren aus dem
Flusse Mengho zu; zum Danke legte er sich das Zeichen
des Drachenpferdes bei.

Bei Lonfutse's Geburt schlängelten sich zwei Drachen
an dem Giebel seines Kaufes empor. Man erzählt auch
von Tonfutfe, er habe zu Laotse, als er ihm einen Ver-
weis ertheilen wollte, gesagt: er sei ein ganz gewöhnlicher
Mensch und einem rechtschaffenen Drachen gar nicht
ähnlich.

Der chinesische Hauptdrache Lung (Fig. 9) wird gewöhnlich
folgendermaßen beschrieben: Er hat Hirschgeweihe, Gchsen-
ohren, einen Rameelkopf (— auch die Araber sagen die
Schlange des Paradieses sei kameelähnlich gewesen, ehe sie
verflucht wurde, auf dem Bauche zu kriechen), einen
Schlangenhals, Tigerfüße, Adlerklauen und Fischschuppen,
welche in fünf Farben glänzen; er lebt hoch in der Luft
und nähert sich nur der Erde, wenn etwas außerordent-
liches geschehen soll, namentlich bei der Geburt von be-
deutenden Männern. Die beifolgende Aopie des chinesischen
Urdrachen ist der großen chinesischen Encyklopädie pentsao
entnommen. Sein Hauptfest wird am chinesischen Neujahrs-
tage mit pompösen Umzügen begangen.

Der Drache ist im chinesischen Mythus das Symbol
der gewaltigen Naturkraft, welche jedoch zum Segen der
Welt bezwungen und gezähmt ist, insbesondere der schaffen-
den Mächte, auf welchen der Ackerbau beruht und es
scheint, daß manchmal der Drache wie die Schlange, welche
die Erde durchfurcht, geradezu als Bild des Pfluges gilt.
So stellen sich überraschende Anklänge an den Ureis der
eleusinifchen Mysterien her, an Teres, die, ihre Segnungen
spendend, auf einem Drachenwagen fährt, an Triptolemos,
den göttlichen Pflüger, der ebenfalls einen Drachenwagen
lenkt. Diese Seite des Drachenglaubens dürfte turanischen
Ursprungs fein, obwohl selbst in Egypten noch eine leise
Erinnerung daran bestand, indem dort das Eisen des
Pfluges als „Drachenknochen" angesehen wurde.

Der Mythenkreis der semitischen Völker ist verhältniß-
mäßig arm an Drachenvorstellungen. Wenn sich bei den

Propheten und in den Schriften der Israeliten etwas vom
Drachen findet, so kann das wohl auf egyptische Einflüsse
und Reminiszenzen zurückbezogen werden. Selbst die Schlange
des Paradieses war nach jüdischer Tradition ursprünglich
ein schön gestaltetes Wesen. Auch in der reichen Grna-
mentik der Araber begegnet man nirgends dem Drachen-
motiv — schon deßhalb, weil die arabische Ornamentik
fast ausschließlich aus den geometrischen Formen geschliffener
oder krystallisirter Steine fußt.

Das Ehristenthum machte aus den vorhandenen Drachen-
vorstellungen, um ihnen die heidnische Farbe zu nehmen,
sofort den Teufel oder wenigstens seinen Prokuraträger und
setzte den Erzengel Michael oder den heiligen Georg an
die Stelle der alten pantheistischen Drachenbezwinger. In
den Fahnen und Wappen der deutschen Aönige und Kaiser
ältester Zeit spielen die Drachen eine gewisse Rolle neben
Adler und Löwe; allein sie scheinen doch nicht ein Erbstück
von Siegfried, sondern aus der römischen Kaiserzeit zu sein.
Etwas anderes ist es mit den Drachen, welche die Sachsen
als Sinnbild und Feldzeichen führten. Diese darf man
wohl als einen heidnischen Ueberrest ansehen. Noch findet
sich in dem Wappen der Königin Mathilde, Gemahlin
 
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