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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Haushofer, Max: Ueber Drachen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0014

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Der altnordische und germanische Götter-Glaube hat
keine Bildwerke hinterlassen. Zu einem desto größeren
Reichthum an Drachendarstellungen schwang sich die Romantik
des Mittelalters auf und erreichte zugleich mit der Blüthe
des gothischen Baustyles darin seinen Höhepunkt. Während
Drachen als Wetterfahnen, Traufausgüffe, als Träger von
Taufbecken, Aonsolen, Schildhalter u. s. w. in der Orna-
mentik eine Rolle spielten, fand die religiöse Skulptur im
Erzengel Michael und Ritter Georg ein oft benütztes Motiv
zur Drachendarstellung — welches sich übrigens unbeein-

relief auf Basen und Urnen, einen Drachen, der sich stets
vollkommen an ein typisches Vorbild anschließt. Das durch
seinen Reichthum an japanesischen Broncen ausgezeichnete
ethnographische Museum hier besitzt einige prächtige drachen-
geschmückte große Urnen und auch einen kleinen in Bronce
gegossenen Drachen von ganz vorzüglicher Arbeit, von welchem
wir dem Leser eine Abbildung (Fig. 8) vorzulegen im Stande
sind. Der chinesische Drache, obwohl der ursprünglichere
und von den Zapanesen aus Thina übernommene, zeigt
| gewöhnlich nicht die feine Formentwicklung wie der japane-

Skizze zu dem Relief des Weinkühlers von Professor Wilhelm Wiedemann, Runstbeilage Tafel 6.

siußt durch den Wechsel der Aunstepochen fort erhielt. Mit
der Renaissance begann der Drache als ornamentales Motiv
sich wieder zurückzuziehen und scheint seine Rolle damit
ausgespielt zu haben.

Nur in der chinesischen und namentlich in der japa-
nesischen Aunstindustrie scheint der Drache noch nicht aus-
gestorben zu sein, obwohl auch bei diesen Völkern die antiken
Bildwerke reichlicheren Gebrauch von Drachendarstellungen
machen. Die japanesischen Broncen, durch die Vollendung
der Technik ausgezeichnet führen, sei es nun als Henkel
an großen Aultusgefäßen oder besonders häufig als ^aut-

sische. Jene großen Drachenfiguren, welche am Neujahrs-
feste in Prozession umhergetragen werden, lassen die Fami-
lienähnlichkeit mit dem japanesischen Drachen unverkennbar
hervortreten; aber der chinesische hat an jedem Fuße um
eine Zehe mehr als der japanesische.

Das Festhalten an der typischen Drachenform in Thina
und Japan gegenüber der großen Mannigfaltigkeit, zu
welcher sich die Drachendarstellung in Europa entwickelte,
erklärt sich aus dem Umstande, daß der chinesische und
japanesische Drache Glaubensartikel der an 200 Millionen
Bekenner umfassenden buddhaistischen Religion ist.

Zeitschrift des Aunstgewerbe-vereins München.

>885. Heft > Sc 2 (3g. 2).
 
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