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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Krell, F.: Nekrologe, der im Jahre 1885 dahingeschiedenen, um den Bayerischen Kunstgewerbe-Verein besonders verdienten Mitglieder: Förster, von Eitelberger, Stieler und Felix
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https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0107

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R. von Litelberger,

posrath, Professor, Dr., Ehrenmitglied unseres Vereines.

Bekanntlich ging das Aufblühen des Kunstgewerbes in Desterreich
demjenigen in Deutschland voran, welche pöhe die österreichische
Kunstindustrie erreicht und bis heute behauptet hat, ist allbekannt.
Ihre Produktion auf gewissen Gebieten steht in einer Linie mit dem
Besten, was es überhaupt gibt und ist für Desterreich von größter
ökonomischer Bedeutung, wir wollen nur an die Keramik, das Glas,
die Kunstbroncen, die Ledergalanteriewaaren und die Teppiche erinnern.

Ein besonders hervorragender Antheil an diesen bedeutenden
Errungenschaften kommt dem am J8. April J885 hingegangenen
R. v. Litelberger zu. Mit begeisterter Eingebung entfaltete dieser seltene
Mann nicht nur eine unermüdliche Thätigkeit in der Gründung und
Berathung von Schulen, durch Errichtung von Museen und durch Aus-
stellungen, wie durch literarische Arbeiten, sondern auch durch direktes
Eingreifen in die Industrie.

Rudolph Litelberger von Ldelberg wurde \8\7 zu Dlmütz ge-
boren und widmete sich zuerst streng wissenschaftlichen Studien. Da
er deren Werth auch für die Produktion sehr wohl erkannte, so war
er später, als die aktiven Geschäfte ihm die ruhige Forschung mehr
und mehr unmöglich machten, wenigstens darauf bedacht, andere jüngere
Kräfte zu einem planmäßigen Arbeiten auf kunstgeschichtlichem Gebiete
zu gewinnen. Er gründete deßhalb die Eentralkommission zur Erforsch-
ung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale, und gab die
so hochwillkommenen „(Quellenschriften für Kunstgeschichte" heraus.

So Verdienstliches aber v. Eitelberger als Forscher geleistet, so
lag doch seine Pauptbedeutung in dem ihm eigenen eminenten prac-
tischen Blick und in seinem organisatorischen Talente, vermittelst
dieser Eigenschaften vermochte er bei seiner schon erwähnten Uner-
müdlichkeit, getragen von edler Selbstlosigkeit, auf einem nichts weniger
als günstigen Boden so durchschlagende Erfolge zu erzielen.

Man vergegenwärtige sich, daß Desterreich, als Litelberger sein
wirken begann, eben jene furchtbare Krisis von >8-^8 durchgemacht
hatte, die dasselbe zwar von dem Alx, der auf ihm lastete, von
Metternich befreite, es aber auch in einem Zustande der Verkommen-
heit, der vollständigen Flügellahmheit zurückließ.

Schon der Beginn der öffentlichen Thätigkeit R. von Litelberger's
verkündigte ihn als einen Bahnbrecher, indem er als der Erste an der
Wiener Universität Vorlesungen über Kunstgeschichte hielt. Er ist
nachher zum Professor dieser Disziplin ernannt worden. Einen noch
größeren Wirkungskreis, als diese Lehrstelle, erössnete ihm das Neben-
amt eines Beirathes für Kunstangelegenheiten im Unterrichtsmini-
sterium. Seine Wirksamkeit war nun alsbald nach allen Richtungen
hi» zu spüren. So gab er z. B. einen Pauptanstoß zu der herrlichen
Blüthe, zu welcher, von der bezeichnten Zeit ab, die Baukunst in
Wien allmählig gelangte, indem er für die freie Konkurrenz bei allen
öffentlichen Arbeiten agitirte und dieselbe auch durchsetzte. Er verfehlte
sodann nicht, für eine gesunde Entwicklung der Kunst und der Kunst-
industrie in Desterreich durch Regelung des Kunstunterrichts neue
Fundamente zu schaffen. Mit gleich liebevoller Sorgfalt und durch
Eingehen bis in alle Detailfragen sorgte er dabei ebenso für die
großen Institute der pauxtstadt, wie für die kleineren und kleinsten
Schulen sämmtlicher Kronländer, ohne Ansehen der Nationalität.
R. v. Litelberger war ein unbedingter Anhänger der österreichischen
Staatsidee.

Durch dieses Vorgehen gelang es ihm denn auch, den Kunst-
unterricht aus dem alten Schlendrian heraus zu reißen, und ihn fähig
zu machen, nicht nur Künstler zu bilden, sondern auch das Volk zur
Kunst zu erziehen. Letzteres war aber besonders nöthig hinsichtlich
des Kunstgewerbes, da es hiebei galt, zuerst die Geringschätzung des
Publikums zu überwinden. Seine pauxtthat in dieser Richtung war
die Schaffung eines belebenden und unerschöpflich neue Anregungen
gewährenden Lentralpunktes im Perzen der Monarchie, in Wien
selbst, durch Gründung des K. K. österreichischen Museums für Kunst
und Industrie. In diesem Institut vereinigte er mit Pilse der ihm
inzwischen erstandenen Gesinnungsgenossen eine Muster- und Mutter-
schule mit einer großartigen Vorbildersammlung und setzte beides in
den innigsten Kontakt mit den Provinzialschulen und den Industriellen
selbst. Diese Einrichtungen führten in der That zu einer ganz über-
raschend schnellen pebung der Kunstindustrie.

Als Deutschland dann dem österreichischen Vorgänge folgte, hat

von Litelberger diesen Bestrebungen das wärmste Interesse entgegen-
gebracht und dieselben mit Rath und That unterstützt. Dies war
besonders auch bezüglich der Entwicklung unseres Bayerischen Kunst-
gewerbes der Fall. Mittelbar und unmittelbar muß er deshalb zu
den Vorkämpfern desselben gerechnet werden. In dauerndem Glanze
wird sein Name auf den Ruhmestafeln der Kunstgeschichte strahlen.

Karl Meter,

Reichsarchiv-Sekretär, Dr., Ehrenmitglied unseres Vereines.

wenn ein Vortrag von Karl Stieler für einen Vereinsabend
des Bayerischen Kunstgewerbe-vereines in München im Winter an-
gekündigt wurde, so war der Saal an diesem Abend voll besetzt bis
auf den letzten Platz, mochte auch draußen eine noch so rauhe winter-
nacht sich eingestellt haben, denn der Dichter zauberte für eine Stunde
den Frühling und den Sommer in den Saal herein, das Gebirge mit
seinen Almen und sprudelnden Gletscher-Wassern und seinen franken-
fröhlichen Bewohnern.

wie in der Münchener hohen Kunst, so auch in dessen Kunst-
gewerbe spürt man etwas von der Nähe der Gebirgsnatur; sie Beide
sind vom frischen pauch der Alpen angeweht, daher haben auch die
Schöpfungen unsers Kunstgewerbes etwas lebendig Frisches, Urwüchsiges,
und aus diesem Grunde eben haben sie in ganz Deutschland eine gleich
frohe Ausnahme gefunden, wie die Gedichte Karl Stieler's. Und wie
in des letzter» Poesien sich ohne vielen Zuschnitt die originellen un-
mittelbaren Aeußerungen des Volksmundes einfügen ließen, so hat
auch das Münchener Kunstgewerbe einen derartigen Lharakter gewonnen,
daß sich in seine Wohnungsausstattungen, ohne einen Mißton zu er-
regen, vielmehr zu höherer Würze, Naturlaute einfügen lassen, als
da sind Geweihe, Federn, Sträuße aus Feldblumen oder aus Schilf,
Gräsern und Alpendisteln.

Als Erhalter und Erwecker dieser Naturstimmung gehörte sonach
Stieler mit zn den geistigen Förderern des Münchener Kunstgewerbes.
Die Kunst lebt ja nicht von Brod allein; es hat noch nie eine bedeutende
Kunstentwicklung gegeben, welche nicht aus vorauslausender und neben-
hergehender Dichtung eine pauxtnahrung gezogen hätte. In der
Vollkraft des Lebens und Schaffens ist uns dieser Dichter entrissen worden.

wenn auch der belebende pauch, dem duftigen Kranze von
Poesien, den er seinem Volke geboten, noch fort und fort entströmt,
so ist es doch unendlich viel, was speziell München und Bayern durch
seinen pingang verloren haben. Ganz ungerechnet die Fülle von
Früchten, die man noch von ihm erwarten durfte, wirkte er schon durch
seine Persönlichkeit, sein frisches, freies, herzliches, offenes Wesen, seinen
mit keiner falschen Sentimentalität oder schiefen Lebensanschauung
behafteten idealen Schwung, versöhnend, klärend und veredelnd auf
das in jetziger Zeit von sozialen, kirchlichen und politischen Fragen so
sehr erregte, bedrängte und vielfach verwirrte Gemüth des Volkes ein.
Auch war er ja nicht nur mit der Feder, sondern auch als Deklamator
und Vortragender ein Meister des Wortes und selbst der beste Inter-
pret seiner eigenen Schöpfungen.

Der Lebensgang Stielers bietet nicht jene bangen, traurigen
Episoden dar, wie sie in der Laufbahn anderer Dichter so oft gefunden
werden. Sein gesunder Sinn lehrte ihn von selbst die richtige Aus-
theilung zwischen praktischer Thätigkeit und dem Dienst der Musen
finden.

Karl Stieler wurde am ^s. Dezember (8^2 als Sohn des durch die
Schönheitsgalerie berühmt gewordenen pofmalers Joseph Stieler in
München geboren. Für de» empfänglichen Geist des Knaben und
Jünglings wurde der Verkehr geistig hervorragender Männer in
seinem väterlichen Pause natürlich von Bedeutung, der Aufenthalt
aber, welchen die Familie jeden Sommer im eigenen kleinen Landhaus
am Tegernsee nahm, verschaffte demselben die innige Vertrautheit mit
dem Volk der Berge, seinem Denken und Fühlen und Thun und Treiben,
ohne welche seine Poesien nimmermehr ihren ächten volksthümlichen
Lharakter erhalten hätten.

Die bald hervortretenden literarischen Neigungen hinderten Stieler
nicht, in regelmäßiger weise den Studiengang eines Juristen nebst
zugehörigem Praktikum zu erledigen. Auch xromovirte derselbe im
 
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