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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 7.1860

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3. Heft
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Der Kelch
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https://doi.org/10.11588/diglit.18470#0054

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43

Der Aelch.

Unter den Gefäßen, welche zum heiligen
Dienste der Kirche verwendet werden, nimmt
zweifelsohne derKelch mttPatene die hervor-
ragendste Stelle ein. Der Kelch allein ist es
nnter allen heilkgen Gefäßen, dessenUrsprnng
wir im Evangelium finden, bet dem letzten
Abendmahle unseres Herrn. So alt und so
allgemein das Meßopfer ist, ebenso alt und
verbreitet tst auch der Kelch. Was die Form
der ältesten Kelche anbelangt, so zweifeln die
Liturgiker und Archäologen nicht, daß sie im
Wesentlichen die nämliche gewesen sei, wie
noch zu unseren Zetten, nur daß die zum
Meßopfer unmittelbar gehörigen kleiner wa-
ren als die unserigen, während die sog. Mt-
nisterialkelche, weil zum Sammeln des Opfer-
weines oder zur Austheilung des konsekrirten
Blutes unseres Herrn an die Gläubigen be-
stimmt, von sehr großem Umfange und mit
Henkeln versehen waren. Frühe schon zierte
man die Kelche, um der hohen Ehrfurcht
willen, die man ihnen erweisen wollte, mit
Figuren und Ornamenten; Tertullian* redet
vom Bilde des guten Hirten, welches die Ka-
tholiken seiner Zeit häufig auf Kelchen an-
brachten. Wir dürfen annehmen, daß vom 4.
Jahrhundert an die Ausschmückung der hetl.
Gefäße gleichen Schritt gehalten habe mit der
prachtvollen Ausstattung der Basiliken und
mit der reicheren Entfaltung des Gottesdien-
stes. Während in den ersten Jahrhunderten
wegen Armuth der christlichen Gemeinden auch
Kelche aus geringerem Metall, aus Krystall
und Zinn, ja selbst aus Bein und Holz ge-
duldet wurden, erhebt sich in der spätern Zeit
die Stimme der Kirche in den Koncilien, daß
Niemand es wagen solle, andere Kelche als
solche aus kostbarem Metalle zur Feier der
heil. Geheimnisse zu verwenden. S. Remi-
gius zu Rheims läßt aus einem silbernen Ge-
fäße, einem Geschenke des Frankenfürsten
Chlodwig, dcn er getaust hatte, „ein Thürm-

* wsrt. äe puäioitiL o. 10: 8i kor53,n xatro-
oinLditur kastor, ^uoro iu CLlioo äepiuAitis.

chen und einen mit Bildern gezierten
Kelch versertigen" (turrioulum st imnAinatum
culioem tulirioLri jullso). Aus dem 7. Jahr-
hundert ist uns noch ein prachtvoller Kelch
erhalten, der berühmte Tassilobecher in der
Benediktiner-Abtei Kremsmünster, welcher in
neuester Zeit in den „Mittheilungen der k. k.
Commission zur Erforschung und Erhaltung
der Baudenkmale tn Oesterreich" abgebildet
und beschrieben worden ist. Seine Form ist
ähnlich der der römischen Pokale, mit tiefer,
eiförmiger Trinkschale; an diese schließt sich
unmittelbar ein kugelförmiger Knops an, der
nach unten tn den breiten, kreisrunden Fuß
sich verläuft. Dieser mit Figuren und Orna-
menten reich geschmückte Meßkelch dürfte in
seinen Hauptformen zeigen, wie alle derarti-
gen Gefäße in jener Zeit gebildet waren. Die
ganzeOrnamentirung konnte sich bis zum 14.
Jahrhundert hinab nur auf Flächendekoration
beschränken, wie dieß alle noch vorhandenen
romanischen Kelche beweisen. Figuren in Re-
lief und Email, phantastische Thierfiguren
und Bandverschlingungen, späterhin auch
freier behandeltes Laubwerk bildeten die da-
mals beliebtestcn Verzierungen, welche der
Goldschmied in verschiedener Technik, bald in
tieferer oder leichterer Gravirung, bald in ge-
triebener Arbeit, vielleicht auch in zierlichem
Filigran, an den Kelchen anbrachte. Als die
Kunst des Emaillirens vom kunstfertigen
Orient herüber kam und im Abendlande sich
mehr und mehr verbreitete, benützte man auch
diese schwierige Technik, um die heil. Gefäße
mit der Farbenpracht zu umkleiden.

Während die Baukunst im l3.Jahrhunderte
einer großartigenUmgestaltung entgegenging,
und gegen Ende desselben aller Orten schon
die gothischen Construktionsgesetze durchge-
drungen waren, konnten sich die Goldschmiede
in genannter Zeit noch immer nicht von der
hergebrachten Weise der Flächendekoration
trennen und ließen nur in eiuzelnen Details
erkennen, daß sie der neuen Kunstbewegung,
welche auch das geringste Ornament neu stili-
sirte, sich einigermaßen anzuschließen genö-
 
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